Angesichts grundlegender Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel, besinnt sich der Weinanbau in Frankreich auf alte, vergessene bzw. vernachlässigte Rebsorten zurück. Es wurde auch Zeit!
Einst verachtet, heute gefragt
Zu ergiebig, nicht ergiebig genug, zu empfindlich … In den vergangenen vierzig Jahren hat der französische Weinbau zahlreiche Rebsorten eher stiefmütterlich behandelt und damit einem Stück Winzertradition den Rücken gekehrt. Diese Rebsorten standen im Ruf, nur mittelmäßige Weine zu ergeben, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen, dass sie womöglich nur schlecht angebaut wurden und unsachgemäßen Methoden zum Opfer gefallen waren. Verkannt und ins Abseits gedrängt, wurden sie durch einschlägig bekannte Rebsorten ersetzt, die fortan auch über ihre geografische Herkunft hinaus zur Aufbesserung der Weine dienten. So zog zum Beispiel die eigentlich im Norden des Rhônetals beheimatete Syrah-Rebe in die Region Languedoc ein. Und nicht immer ging es dabei mit guten Dingen zu … Um diese „renommierten“ Rebsorten ins rechte Rampenlicht zu rücken, wurden die Spezifikationen der kontrollierten Herkunftsbezeichnungen kurzerhand überarbeitet. Schließlich begannen die Winzer nach und nach, das Image der in Vergessenheit geratenen und verkannten Rebsorten aufzupolieren. Was sie dazu bewogen hat? Ihre Weine! So änderte sich im Languedoc der Ruf der Sorte Carignan schlagartig, als eine Handvoll inspirierter Winzer sich ihr zuwandte und einige bemerkenswerte Erzeugnisse präsentierte. Auf Korsika, das ein beachtliches Comeback alter Rebsorten erlebte, haben die weiße Sorte Bianco Gentile und die rote Carcajolu Neru nunmehr ihren angestammten Platz.
Vorzüge, die für sich selbst sprechen
Warum dieses Revival? Um die Tradition zu erhalten, die Artenvielfalt zu fördern, der Standardisierung Einhalt zu gebieten und die Identität der Weinberge zu stärken. Doch über die Bewahrung des Kulturerbes hinaus zeichnen sich einige dieser uralten Rebsorten durch äußerst wertvolle Tugenden aus, die es insbesondere im Kontext des gegenwärtigen Klimawandels zu berücksichtigen gilt. So setzen nicht nur im Süden Frankreichs die Winzer alles daran, auch in Zukunft weiter ausgewogene Tropfen statt schwerer, extrem alkoholhaltiger Weine produzieren zu können. Da kommt eine Rebsorte wie Cinsault nur gelegen. Sie reift spät, ist relativ unempfindlich gegen Dürre und Krankheiten und ergibt erfreulich flexible und frische Weine, auch unter der Sonne des Languedoc. In der gleichen Region wird auch die Ribeyrenc-Rebe jetzt wieder auf mehreren Weingütern angebaut. Fern vom Klischee des dunklen, schweren Südweins bietet sie bekömmliche Weine von klarer Farbe und feiner Textur. Das trifft sich nicht nur bei sommerlichen Temperaturen gut. Im Elsass punktet gegenwärtig jener lebhafte, geradlinige Sylvaner, dem man einst vorwarf, charakterlose Weine zu ergeben, bevor er dann in den 70er-Jahren regelrecht aus den Weinbergen verbannt wurde. Dasselbe gilt für die Sorten Arbane und Petit Meslier in der Champagne sowie für Pineau d'Aunis an der Loire. Die Rückbesinnung auf all diese Rebsorten könnte durchaus dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawechsels in ihren jeweiligen Regionen zu mildern. Eine tolle Perspektive, oder?
Die Auswahl von Taste France Magazine
Domaine Thierry Navarre – Vin de France – “Ribeyrenc”
Kurs auf Roquebrun in der Languedoc-Appellation Saint-Chinian, um einen Winzer kennenzulernen, der sich mit Hingabe seinen alten Rebsorten widmet. Sein Ribeyrenc ist flüssig, saftig und leicht würzig und mundet perfekt zu Wurstwaren oder Grillfleisch.
Domaine Trescol Ferrier é Bouit – Vin de France – “Saint Sôt”
Liebhaber naturbelassener Weine reißen sich um die Erzeugnisse dieses Weinguts in der Ardèche. Der unkomplizierte Saint Sôt hält, was er verspricht, und überzeugt durch Frische und angenehme Süffigkeit. 750 ml Genuss!
Domaine Ostertag – Alsace – “Les vieilles vignes de Sylvaner” 2019
Die Familie Ostertag betreibt eines der namhaftesten Weingüter im Elsass. Neben renommierten Rebsorten wie Riesling oder Gewürztraminer hatte sie schon immer ein Faible für den Sylvaner. Hier offenbart er sich voller Tiefe und Feinheit mit elegantem, leicht salzigem Abgang.
Domaine des Huards – Cour-Cheverny – “Romo” 2018
Romo steht für Romorantin, eine weiße Rebsorte aus der Touraine. In diesem feinen, präzisen und lebhaften Wein bringt sie ihr Potenzial vollendet zur Geltung. Die Aromen? Zitrusfrüchte und ein Hauch Honig.
Taste France Magazine’s selection
Head down to Roquebrun, in the Languedoc’s Saint-Chinian appellation, where you’ll find this winemaker with a passion for old grape varieties. His fluid, juicy, very slightly spicy “Ribeyrenc” goes down a treat with charcuterie and grilled meats.
Domaine Trescol Ferrier é Bouit – Vin de France - “St Sôt”
Lovers of natural wines are snapping up the produce from this Ardèche-based estate. The accessible “St Sôt” delivers on all its promises of freshness, drinkability and indulgence. 75 cl of pleasure!
Domaine Ostertag – Alsace – “Les vieilles vignes de Sylvaner” 2019
The Ostertag family owns one of the most famous domaines in Alsace. Alongside its well-known big-name varieties (Riesling, Gewurztraminer, etc.), it has always striven to promote Sylvaner. In this case, it reveals itself to be deep, refined and elegant, with a saline finish.
Domaine des Huards – Cour-Cheverny - “Romo” 2018
“Romo” for Romorantin – the name of this white Touraine variety. In this example, it demonstrates its ability to produce refined, precise, lively wines. The aromas? Citrus and a hint of honey.
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