Der Geschmack des Meeres: Salinen-Salz aus Frankreich
Als Kind am Meer, das war das Schönste. Ein endloser Sommer an der französischen Atlantikküste, mein Haar war unter der weißen Sonne hell und strohig geworden, ich atmete die warme, mineralische, trockene Luft ein, während ich im Wasser auf die nächste Welle wartete.
Überall Wellen, große Wellen, sie schienen nicht nur von vorn zu kommen, nein, auch von links und rechts, dazwischen strudeln fließende, saugende Wassertäler, in denen sich perlend schäumende Augen öffnen. Kühn hinein und reingeworfen in die nächste Wand aus blaugrünem Wasser, durchgewirbelt von der Kraft des Meeres. Den salzigen Geschmack des Meeres hatte ich auch später am Strand noch auf den Lippen. Ich muss daran denken, als ich mir eine zarte Flocke Fleur de Sel Meersalz aus Guérande auf der Zunge zergehen lasse, diese Salzflocke schmeckt nach Strand und Meer, nach unbeschwerten Kindertagen. Moment mal. Hat Salz eigentlich überhaupt einen Geschmack?
Wie schmeckt eigentlich Salz?
Sensoriker*innen sind bei der Beurteilung und Verkostung von Salz weniger romantisch veranlagt und beurteilen vor allem die Intensivität, das Aroma sowie die Geschmacksdauer eines Salzes. Auch die Größe und Beschaffenheit der Kristalle, das Mundgefühl lassen sich analysieren und einordnen. Salz kann sauber riechen, oder modrig und bitter. Es kann mild, scharf oder stechend schmecken, nach Algen, Ton oder Erde. Die Salzflocke aus der Guérande ist blütenweiß und knusprig, mild in der lang anhaltenden Salzkraft – und wieder die Erinnerung ans Meer. Das liegt daran, dass Salz, wie auch Wein, immer auch Botschafter der eigenen Herkunft ist, dem Terroir, dem Zusammenspiel aus Ort, Wasser, Wind und Sonne.
Salz aus Guérande – seit über 2.000 Jahren geschätzt
An der Küste von Guérande, einer Gemeinde auf der gleichnamigen Halbinsel der Region Pays de la Loire (Bretagne) finden sich Frankreichs berühmtesten Salzfelder. Aus den Wassern des Atlantiks wird hier das grobkörnige Salz Gros Sel, wie auch das zarte Fleur de Sel gewonnen. Bereits vor 2.700 Jahren gab es Meersalinen auf der Halbinsel, das „weiße Gold der Bretagne“ war schon zur Römerzeit ein gefragtes Luxus-Produkt. Neben der Würzkraft, war es vor allem wegen seiner konservierenden Wirkung gefragt, etwa beim Einlegen von Fisch oder beim Pökeln von Fleisch. Aus den Kanälen der Salinen wurde das Salz bis hinauf an die Grenzen des damaligen deutschen Reiches verschifft und verkauft. Das brachte den Bretonen frühen Wohlstand, die Felder wurden per Erb-Regelung der nächste Generation verschrieben. In den 1960er Jahren geriet die traditionelle Salzgewinnung in der Guérande zunehmend in Vergessenheit, geschuldet war das der vorschreitenden Industrialisierung und der damit verbundenen Landflucht der Jugend in die größeren Städte. Es waren die sogenannten babacools, Aussteiger und Hippies, die, auf der Suche nach einem naturnahem Leben, in den 1970er Jahren die alte Kulturlandschaft wiederentdeckten und die Techniken der Salzgewinnung mit der Unterstützung und dem Wissen der Alten belebten. Über 80 Prozent der handwerklich aus dem Atlantik gewonnenen Meersalze stammen heute von hier.
Wie Meersalz gewonnen wird
Meer, Sonne, Wind und Handwerk schaffen zusammen das außergewöhnliche Meersalz in einem Feuchtgebiet, dass die Menschen einst dem Atlantik abtrotzten. Dabei entstanden aus dem Lehmboden nicht nur die im Sonnenlicht glitzernden Salzfelder mit ihren 7.000 Kristallisationsbecken, sondern rundherum auch diese ökologisch unvergleichliche Naturlandschaft, mit ihrer ganz eigenen, geschützten Flora und Fauna. Zwischen den Landzungen von Pen Bron und der Küste des malerischen Fischerdörfchens Le Croisic findet sich ein großes Speicherbecken, das die ètiers, die Kanäle der Salinen, im Gleichstrom der Gezeiten mit Wasser versorgt. In den sogenannten Ernte-Becken, den oeilettes verdunstet das Wasser durch Sonne und Wind, das Meersalz beginnt am Boden der Becken auszukristallisieren. Mit einer Brettschaufel, der cimauge zieht der Salzbauer, der paludier, das Salz an die Ränder der 10-40 cm tiefen Becken, wo es in speziellen Ausbuchtungen noch einen Tag unter direktem Sonnenlicht trocken darf. Die Böden der oeilettes selbst, dürfen dabei niemals komplett austrocknen und das ist die große Kunst des Salzbauern: er sorgt beständig für die perfekte Regulierung des Wasserstands und damit eine gleichbleibende Salzkonzentration in den Kanälen und Becken – abgestimmt auf das Wetter, die Anzahl an Sonnenstunden und der Windstärke. Die Erntezeit beginnt frühestens im Juni und dauert bis September, im Laufe des übrigen Jahres sind die Bauern damit beschäftigt, die Becken sauber und eben zu halten.
So entsteht das Gros Sel (auch: Sel gris), dessen leicht gräuliche Farbe nicht etwa Verschmutzungen geschuldet ist, sondern kleinsten Algen- und Plankton-Partikeln, die dieses Meersalz so würzig machen – der natürliche, „vollmundige“ Umami-Geschmack inklusive! Die blütenweißen, zart-splitternden Salzkristalle des Fleur de Sel sind die feinste Form unraffiniertes Meersalz zu genießen: es ist die sogenannte Salzblume, die bei Sonneneinstrahlung auf ruhiger Meerwasseroberfläche entsteht. Das gelingt in speziellen Meerwasser-Becken, auf denen die Salzblume nur unter optimalen Witterungsbedingungen (viel Sonne, lauer Wind, niedrige Luftfeuchtigkeit) erblüht und umsichtig per Hand abgeschöpft wird. Auch die kostenintensive „Produktion“ und Ernte macht dieses Salz so kostbar. Hier gibt es online schöne Einblicke in die Salzgewinnung und Tipps für die Reise in die Region:
www.labaule-guerande.com/les-celebres-marais-salants-de-guerande.html
und
Meersalz aus der Guérande – Qualitätskontrolliert
Seit 2012 stehen „Sel de Guérande" und "Fleur de Sel de Guérande" unter dem besonderen Schutz der europäischen Klassifikation IGP (indication géographique protégée, zu Deutsch geschützte geografische Angabe (g.g.A.)). Diese gibt Gewähr hinsichtlich Ursprung und Qualität der Salze aus Guérande. Dafür produzieren die Salzbauern der Genossenschaft „Les Salines de Guérande“ unter strenger Kontrolle in Handarbeit regionales Meersalz, das nach der Ernte nicht gewaschen wird und keine Zusatzstoffe enthält.
Meersalz in der Küche
Ich verwende in meiner Küche beinahe ausschließlich Meersalz. Nicht nur wegen seines Geschmacks und hohen Gehalts an Magnesium und Spurenelementen – ich mag es einfach lieber als Tafel- oder Steinsalz… wohl auch weil ich das Meer so liebe! Dabei reichen in der Küche zwei Sorten Meersalz eigentlich für alles. Raffiniertes, grobkörniges Meersalz kostet heute nicht mehr die Welt, es ist ein gutes Alltags-, Koch- und Tafel-Salz für alle Gelegenheiten, eben auch zum Würzen von Kochwasser oder dem Garen von Fisch in der Salzkruste. Für das wertvolle Fleur de Sel empfehle ich die ausschließliche Verwendung als Fingersalz und Finishing Salt – also zum finalen Würzen und Veredeln von Gemüsen, Steaks, gegrilltem Fisch oder einer feinen Dessertspeise.
5 Basic-Tipps für den richtigen Umgang mit Meersalz
Zum Abschluss noch meine fünf ganz grundsätzlichen Basic-Tipps zur Verwendung von (Meer-) Salz:
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Unterschiedliche Salze lösen sich unterschiedlich schnell auf, verteilen sich mitunter langsam. Salze darum immer erst subtil einsetzen, lieber nachsalzen als versalzen. Auch die Temperatur spielt eine Rolle: ein kalt mit Salz abgeschmecktes Gericht, kann nach dem Erhitzen versalzen sein. Saucen und Schmorgerichte, bei denen sich die Flüssigkeitsmenge reduziert, sollten besonders umsichtig und zu Beginn nur sehr leicht gesalzen werden.
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Essen soll nie salzig sein, sondern gesalzen, eine alte Küchenweisheit, der ich hinzufügen möchte: manchmal macht es ein Gericht gerade besonders, wenn pointiert und deutlich gesalzen wurde, etwa bei einer kräftigen Brühe, bei gekochten Kartoffeln, bei Meeresfrüchten oder gerösteter Hühnerhaut.
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Manchmal ist weniger auch mehr, etwa bei roh mariniertem Fisch oder einem Tatar – hier soll das Salz den Gaumen nur kitzeln, den Eigengeschmack der exzellenten Produkte zum Blühen bringen. Würze mit bedachter Hand. Denke schon in der Vorbereitung darüber nach, was Du wann, warum und wie salzen willst.
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Kochwasser richtig salzen, das bedeutet, das Kochwasser abzuschmecken! Heißes Kochwasser mit dem gänzlich aufgelösten (!) Salz sollte deutlich gesalzen, an Meerwasser erinnern – deutlich gesalzenes Kochwasser erspart vielfach das Nachsalzen und hebt deutlich den Eigengeschmack, z. B. von Nudeln oder Gemüse!
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Versalzen, was nun? Verlängere und/oder verdünne das Gericht nach Möglichkeit durch Zugabe milder oder fetter Zutaten, wie Sahne oder Crème Fraîche. Fett (und in Maßen auch Säure) sind geeignet eine unerwünschte Salzigkeit auszubalancieren. Stärkehaltige Komponenten (ungewürzte Hülsenfrüchte und roh mitgekochte Kartoffelscheiben) binden Salz auch nachträglich gut.
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