Lebensmittel in bester Qualität statt Sternezirkus

Von Nikolai Wojtko

Franz Keller – Kochlegende und Pionier in Sachen Nachhaltigkeit

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Franz Keller ist nichts weniger als eine Koch-Legende. Er hat die Nouvelle Cuisine live in den Küchen Frankreichs erlebt und gekocht. Nach seiner Rückkehr ins elterliche Gasthaus gibt es schon bald ein Zerwürfnis mit dem konservativen Vater. Also eröffnet der Bocuse-Schüler sein erstes Restaurant in Köln, über dem schon bald ein Stern strahlt. Ein zweiter folgt. 1993 kehrt er der Sternegastronomie den Rücken. Seitdem besinnt sich Franz Keller auf das Wesentliche: Ausgezeichnete Produkte und einfache Zubereitungen. Mittlerweile hat er sein Restaurant an seinen Sohn übergeben und widmet sich auf seinem malerisch gelegenen Falkenhof der artgerechten Aufzucht von Nutztieren. Hier lebt Franz Keller seinen Traum vom Kochen als Genusshandwerk. Hier veranstaltet der Autor Lesungen und themenbezogene Kochseminare. Wir treffen uns – wie könnte es anders sein – in seiner Küche.

Nikolai Wojtko: „Franz, du bist Jahrgang 1950 und entstammst einer Winzer- und Gastronomenfamilie. Deine Mutter Irma Keller erkochte 1969 den ersten Stern für den Schwarzen Adler. Und sie war damit die erste Frau in Deutschland, der diese Ehre zuteil wurde. Was hat sie dir beibringen können?“

Franz Keller: „Eigentlich habe ich damals überhaupt keinen Bock darauf gehabt, einmal Koch zu werden. Ich verfolgte damals noch den Traum vom Fliegen. Aber ich habe die mittlere Reife nur mit Ach und Krach bestanden, da starb dieser Traum, denn ich hatte auf Schule keine Lust mehr. Und dann habe ich gemerkt, mein alter Herr wollte immer, dass ich mich um das Lokal kümmere. Mein Bruder war damals erst vier Jahre und sollte später das Weingut übernehmen. Mit meiner Mutter habe ich die einfacheren Sachen gekocht vom Sauerbraten über Sülzen. Als sie den Stern bekam, da war ich in meinen Wanderjahren, wie man so schön sagt. Ich habe dann an meinen freien Tagen zu Hause ausgeholfen.“

NW: „Wie entstand deine kulinarische Verbindung zu Frankreich?“

FK: „Wir hatten ja immer ein paar Köche aus dem Elsass bei uns in der Küche. Mein Vater ging immer mit den befreundeten Jägern ins Elsass. Dann lernte mein Vater die Weingüter im Elsass kennen. So ging das Los. Über dieses Vitamin B der nun befreundeten Weingutbesitzer kam ich zu einem Vorstellungsgespräch bei Paul Bocuse. Aber Herr Bocuse war entsetzt, dass ich kein Französisch konnte. Daher sollte ich erst woanders lernen und er würde mich dann auf Empfehlung übernehmen. Bocuse hatte damals seinen dritten Stern und führte neben seinem Restaurant eine regelrechte Berufsvermittlung für junge Köche. So kam ich zu Paul Lacombe. Dort habe ich dann nicht nur das notwendige Küchenfranzösisch, sondern auch die Sprache gut gelernt.“

NW: „Du sagtest einmal die Fremdenlegion kann nicht härter sein, als die Arbeit in der Küche von Bocuse. Stimmt das?“

FK: „Ich will es mal in einem Beispiel sagen: Wir waren 22 Leute in der Küche. Jeden Monat hatten wir so 10 Abgänge und Bocuse musste dauernd Kollegen anrufen, um Nachschub zu organisieren.“

NW: „Dich verband bis zu seinem Tod im Januar 2018 eine Freundschaft mit Bocuse – war er ein Vorbild für dich – als Mensch, als Koch?“

FK: „In allem war er ein Vorbild. Auch am Anfang im Umgang mit den Frauen – aber seine Art war mir zu anstrengend. Wir haben immer sehr oft telefoniert – nur als ich mich von meinem Vater getrennt habe, hat er zunächst den Kontakt abgebrochen, da er meine Handlung nicht verstehen konnte. Er war halt überzeugter Familienmensch und er war mit meinem Vater befreundet. Aber mit der Zeit erkannte er meine Beweggründe und unserer Freundschaft wuchs wieder.“

NW: „Anschließend warst du bei Michel Guérard in Paris – neben Bocuse einer der Entwickler der Nouvelle Cuisine. Was konntest du hier lernen?“

FK: „Die klassische Küche hat mich immer mehr beeindruckt, als die Nouvelle Cuisine. Aber hier sollte ich noch mal kurz ausholen. Denn in meinen Augen gibt es zwischen Michel Guérard und Paul Bocuse einen Unterschied, auch wenn beide der Nouvelle Cuisine zugeordnet werden. Bocuse war auch ein Neuerer der Küche, aber auf eine andere Art. Damals wurden die Köche in Frankreich geprägt durch Auguste Escoffier. Er schaffte die Grundlagen der modernen Küche. Vor ihm gab es unglaublich viel Dekoration. Escoffier aber wollte Klarheit in seinen Gerichten, es wurde gradliniger. Guérard ging nun einen Schritt weiter. Er wollte sich ganz auf das Produkt konzentrieren. Damit kam der Begriff der Nouvelle Cuisine auf und da Bocuse ihn kannte, unterstütze er diese Idee. Nur die besten Gerichte, das wurde von Bocuse auf die französische Flagge gehievt. So weckte diese Idee einer neuen Küche schnell großes Interesse. Bocuse sagte mir mal, dass Escoffier für ihn der größte Koch war, auch wenn er nicht selbstständig war. Denn er war ja immer Angestellter eines Hotels. Aber durch ihn und seine damals neue Art der Küche kamen die Bürger in die Hotels. Und die Hotels bezahlten die Küche, damit mehr Gäste kamen. Bocuse erkannte, dass nun die Leute in Wirklichkeit zu einem Koch kommen wollten und das war neu. Bocuse wollte als Koch seine Gäste gewinnen. Daher war es für ihn ganz klar, dass er sein eigenes Restaurant haben wollte, um alles selbst bestimmen zu können. Und natürlich, um für seine Gäste da zu sein. Er ging ja immer zu ihnen. Unter der Flagge der Nouvelle Cuisine machte Bocuse eigentlich sein Ding weiter, während Guérard, die Idee der Nouvelle Cuisine weiter entwickelte.“

NW: „Dann ging es 1973 zurück an den heimischen Herd. Was hast du auf Grund deiner in Frankreich gesammelten Erfahrungen alles verändert?“

FK: „Ich hatte vorher keinen Stil. Da habe ich noch nachgekocht. Frankreich hat mir sehr geholfen, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Denn hier war ich ja in vier Läden und habe die Dinge rausgenommen, die mir am besten gefallen haben. Diese Ideen habe ich persönlich weiter entwickelt. So kam ich zu meinem Stil, der allerdings sehr stark französisch geprägt ist. Bis heute.“

NW: „Was bedeutet Frankreich kulinarisch für dich?“

FK: „Für mich ist Frankreich kulinarisch der Mittelpunkt in Europa. Es ist das Land, in dem gradlinig weiter an dem eigenen Stil gearbeitet wird. Man gibt nicht einfach über Jahrzehnte gewonnene Erkenntnisse auf. Mode und Essen sind in Frankreich eher zwei Welten. Aber es gibt eine neue Entwicklung, die mir sehr gut gefällt. Immer mehr junge Köche, die in Sternerestaurants gearbeitet haben, machen sich auch jenseits der großen Städte selbstständig. Hier arbeiten sie mit guten Produkten und haben Spaß den Gast glücklich zu machen. Gradlinig, einfach und ganz ohne Effekthaschereien. Genau da sollte sich bei uns auch was tun. Der Moment war noch nie so gut wie jetzt. Gerade die Corona-Krise zeigt, dass die Leute wieder genießen wollen. Also, mein Tipp an die jungen Kollegen: Kleine Karte, gute Produkte, gutes Handwerk, Mut und Engagement. Und – das wird leider immer noch oft vergessen – Spaß als Gastgeber. Köche sollten immer den Kontakt zu ihren Gästen suchen und sich nicht in der Küche verstecken.“

NW: „Fährst du noch gerne nach Frankreich?“

FK: „Ja. Aber leider kann ich wenig dahin, da ich immer noch zu viel arbeite. Doch ab dem kommenden Jahr möchte ich wieder mehr Zeit haben und dann Frankreich wieder öfter genießen, natürlich auch kulinarisch.“

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