Ein Treffen mit Gwilherm de Cerval, dem Sommelier, der mit den Konventionen bricht
In diesem Interview unterhalten wir uns mit dem französischen Sommelier und Weinjournalisten Gwilherm de Cerval über seine bemerkenswerte Karriere und seine besten Tipps für eine erfolgreiche Weinprobe!
In Frankreich bedarf Gwilherm de Cerval keiner Vorstellung: Dieser stilvolle, gut vernetzte Sommelier hat die Welt der Connaisseurs und Foodies mit seiner Arbeit als Weinjournalist und Autor aufgemischt mit dem Ziel, die elitär anmutende Welt der Weine zugänglicher zu machen und aufzulockern.
Das Portrait eines Sommeliers
Gwilherm de Cerval begann seine Karriere als Sommelier in renommierten kulinarischen Institutionen wie dem Pariser Ritz und dem Restaurant Relais Louis XIII, bevor er 2010 zum Hôtel Royal Monceau Raffles Paris wechselte. Der kultivierte Gourmet mit großer Followerschaft auf Instagram (@gwilherm_de_cerval) ist Teil des Teams des Guide Lebey, der über die besten Restaurants und Bistros in Paris und darüber hinaus berichtet. Außerdem ist Gwilherm Vorstandsmitglied der Association des Sommeliers de Paris, der Pariser Sommelier-Vereinigung.
Und als ob das noch nicht genug wäre, arbeitet de Cerval als Freelance-Weinjournalist und hat Beiträge für eine Reihe von Publikationen geschrieben, unter anderem für Le Journal du Dimanche, L’Express, Marie Claire und Bon. Durch seine Arbeit mit dem hochangesehenen Gastronomie-Kritiker François-Régis Gaudry seit 2017 tritt Gwilherm de Cerval regelmäßig in der Fernsehshow „Très Très Bon“ auf und wirkt an den verschiedenen „On Va Déguster“-Büchern (wörtlich: Wir werden verkosten) mit.
2019 wurde er für sein Buch „Le Petit Livre du Sommelier“ (Das kleine Buch des Sommeliers) mit dem Prix Curnonsky ausgezeichnet und veröffentlichte 2021 sein Brettspiel „Le Petit Quiz du Sommelier“ (Das kleine Quiz des Sommeliers). Im Mai 2023 schloss er sich der Musikproduzentin Caroline de Maigret, dem Schauspieler Manu Payet und der Food-Journalistin Zazie Tavitian an, um einen Food Guide für Paris mit dem Titel „La traversée de Paris“ (Eine kulinarische Reise durch Paris) herauszubringen.
Wie Sie sehen, hat Gwilherm de Cerval einen vollen Terminkalender, doch wir hatten das Glück, ihn treffen zu können, um mit ihm über seine Karriere als junger Sommelier zu sprechen und ihn um ein paar Expertentipps für die Weinprobe zu bitten.
Können Sie erklären, was genau ein Sommelier macht und wofür er zuständig ist?
Ein Sommelier arbeitet im Kundenservice und muss daher freundlich und serviceorientiert sein. Sommeliers müssen ihre Gäste in allen Fragen beraten können, die Getränke betreffen, egal ob alkoholisch oder nicht, und Letztere unter optimalen Bedingungen servieren. Dazu gehört die Verwendung geeigneter Gläser, die richtige Temperatur usw. Außerdem ist es Teil des Jobs – und das wird oft vergessen –, neue Weine zu entdecken und den Weinkeller zu verwalten (sprich, stets zu wissen, welche Weine im Keller lagern), um die Gäste bestmöglich beraten zu können.
Was war ein Schlüsselmoment in Ihrer beruflichen Laufbahn?
Einmal kam ein Gast ins Royal Monceau und bat mich, einen sehr berühmten und teuren Rotwein in einen Eiskühler zu stellen und ihn dann mit einem Trinkhalm in einem Stielglas zu servieren. Im Gegensatz zu mir wären viele Sommeliers seinem Wunsch nicht nachgekommen. Doch für mich hat der Genuss des Gastes Priorität, wie auch immer er für ihn aussieht. Das steht für mich an erster Stelle: dass die anderen Spaß haben und sich wohlfühlen.
Was würden Sie jemandem raten, der in der Welt der Weine Fuß fassen möchte?
Die Leute sagen oft Dinge wie: „Ich hab einen Saint-Émilion getrunken, der war so gut!“ Darauf reagiere ich dann immer mit der Frage: „Von welchem Weingut?“ Zuallererst sollte man den Namen des Weinguts in Erfahrung bringen und ihn sich merken. Denn anhand des Namens des Weinguts (des Winzers) kann ein Sommelier die Region, die Appellation (wie ein Land seine Weine geografisch kategorisiert), die Cuvée und die Rebsorte bestimmen. Das sind die vier wichtigsten Informationen, um den Geschmack zu identifizieren und ähnliche Weine vorschlagen zu können.
Viele Menschen denken, dass ein Sommelier nur für die elitären Kreise da ist. Was sagen Sie dazu? Wie würden Sie Leute dazu ermuntern, sich näher mit dem Wein und dessen Subtilitäten auseinanderzusetzen, ohne sich von der Komplexität des Themas einschüchtern zu lassen?
In der Welt des Weins herrscht viel Snobismus, weil sie eine sehr traditionelle Seite hat. Sie hat etwas Nobles, Prestigeträchtiges und Luxuriöses an sich, das Teil des französischen Kulturerbes ist. Und dennoch trinkt jeder Wein! Aber niemand traut sich, über ihn zu sprechen. Mein Ratschlag lautet, dass man anderen zuhören sollte, sich aber auch trauen sollte, anderer Meinung zu sein. Es ist vollkommen okay zu sagen, dass man etwas mag oder nicht mag. Denn nicht alles, was für den einen gut ist, funktioniert auch für alle anderen.
Gibt es gemäß Ihrer Erfahrung Begriffe aus der Weinwelt, die häufig durcheinandergebracht werden und die Sie gerne richtigstellen würden?
Absolut! Unterscheiden Sie einen Sommelier von einem Önologen. Ein Önologe ist jemand, der Wein herstellt, letztlich ein Chemiker. Ein Sommelier hingegen serviert Wein.
Hochwertige Weine werden oft mit hohen Preisen assoziiert. Wie kann man guten Wein genießen, ohne das Portemonnaie übermäßig zu strapazieren?
Suchen Sie eine Appellation, die Sie mögen, einen beliebten Winzer und kaufen Sie dessen „Petite Cuvée“. Diese wird mit genau so viel Liebe hergestellt, reift aber nicht in Eichenfässern, sondern in großen Gärbehältern und erfordert entsprechend etwas weniger Arbeit. Der Wein ist aber ebenso gut!
Worauf sollte ein Weinliebhaber achten, damit er eine Weinprobe richtig genießen kann?
Es geht darum, die richtige Balance zwischen Alkohol, Süße und Säure zu finden. Und man muss auch auf die Textur achten.
Hören Sie auf sich und beschreiben Sie mit eigenen Worten, was Sie schmecken. Ein guter Sommelier sollte in der Lage sein, sich an die Person, die ihm gegenübersteht, anzupassen und ihr so Spaß an der Sache zu vermitteln.
Gibt es hilfreiche Ressourcen, mit denen Einsteiger mehr über Wein lernen können?
Abendliche Weinproben, die von Weingütern und Restaurants veranstaltet werden, bieten eine hervorragende Gelegenheit, unter Anleitung verschiedene Weine zu verkosten.
Haben Sie dank Gwilherms Tipps Lust bekommen, mehr über Wein zu lernen? Falls ja, dann gelangen Sie hier zu unserem Dossier Französische Weine: Eine Anleitung für Einsteiger.