Das Pays d'Auge bietet allein schon eine Kulisse für eine Ansichtskarte aus der Normandie. Holen Sie Ihre Kameras heraus: klick klick, Holzfachwerkhäuser, klick klick, Wiesen mit saftigem Gras, auf denen hübsche gefleckte Kühe weiden, und klick klick, Apfelbäume wohin das Auge reicht. Wir befinden uns hier im Erzeugungsgebiet des berühmten „Cidre du Pays d'Auge“. Zeit, sich ein Paar guter Stiefel anzuziehen und sich eine französische Obstplantage anzuschauen, die biologischen Anbau betreibt…
An diesem Herbstnachmittag in der Nähe von Victot-Pontfol, einer kleinen charakteristischen Gemeinde ein paar Kilometer von Lisieux, wird die frische Landluft von einem unverwechselbaren Duft erfüllt, einer süßen Mischung mit Noten von Äpfeln, Humus und Heuschobern ... Kein Zweifel, die Obstwiesen des Pays d'Auge sind nicht weit weg! Marie Marois, die das Familiengut Dupont mitleitet, empfängt mich am Eingang einer jüngeren Plantage, auf der biologischer Anbau betrieben wird … Los geht die Besichtigung …
In meiner Vorstellung sahen Apfelbäume immer ein bisschen verrückt und schief und krumm aus, Bäume, bei denen man eine Leiter braucht, um die Äpfel einzeln abzupflücken ... Na gut, das hat sich offensichtlich geändert … Ich betrete eine junge Plantage, die 2014 angelegt wurde, und ... Überraschung: Die Bäume sind das, was in der Sprache der Obstbauern als „niedrigstämmig“ bezeichnet wird, Bäume mit sehr kurzen Stämmen. Dichter gepflanzt ermöglichen sie umfangreichere Erträge als die traditionellen Plantagen mit den sogenannten „hochstämmigen beziehungsweise frei stehenden“ Apfelbäumen.
Keine Kühe unter den Apfelbäumen!
Und weit und breit keine Kühe zu sehen, die gemütlich unter den Apfelbäumen grasen, was für eine Enttäuschung!!! Marie erklärt mir, warum es hier keine Kühe gibt: Wenn man die Kühe unter den Apfelbäumen weiden lässt, wie früher als die Bäume sehr weit auseinander standen, sind die Erträge geringer und zudem werden durch die Ausscheidungen der Tiere Bakterien auf die Wiese getragen, die im Cidre eine starke (zu stark bei Dupont) rustikal-ländliche „Note von Mist“ bewirken! Und heute entsprechen diese sehr trockenen, herben Cidres wie man sie früher herstellte nicht mehr dem Geschmack der Zeit. Das Haus Dupont entwickelt nun feine und elegante Cidres, mit Verfahren, die denen ähneln, die für die großen Weine angewandt werden. Keine Kühe unter den Apfelbäumen also …
Biologisch bewirtschaftete Plantagen für edlen Cidre
„Auf unseren Plantagen mit einer Fläche von 35 Hektar wird biologischer Anbau betrieben“, erzählt die Leiterin des Guts mit einem gewissen Stolz. Das bedeutet, dass von den Bodenverbesserungsmaßnahmen bis hin zur Pflege der Bäume ausschließlich Produkte verwendet werden, die für die biologische Landwirtschaft zugelassen sind. Hier kommen also keine chemischen Düngemittel zum Einsatz: Die Apfelbäume werden mit einem Kompost aus Mist lokaler, mit Gras gefütterter Rinder versorgt und mit der sogenannten „Bouillie bordelaise“ (Bordeauxbrühe), dem Wundermittel auf der Grundlage von Kupfersulfat, behandelt, um ihre Fähigkeit, gegen Krankheiten und Insektenbefall anzukämpfen, zu stärken.
Die Ergebnisse sind sichtbar: Die Böden sind lebendig und die Fauna ist sehr vielfältig.
Das Gelingen des biologischen Anbaus ist außerdem stark von der Qualität der Überwachung abhängig. „Wir gehen sehr regelmäßig zu unseren Obstbaumanlagen und bringen Insektenfallen in den Bäumen an, an denen wir Zählungen vornehmen: So können wir die Baumbehandlung im richtigen Moment einsetzen, erst, wenn eine Vermehrung der kleinen Tiere erkennbar ist. Gegen die Blattläuse sprühen wir natürliche Mittel auf der Basis von Marseiller Seife, gegen die Apfelwürmer eine Mischung aus biologischen Ölen“, fährt Marie Marois fort. Und schließlich gibt es hier keine chemischen Unkrautvernichtungsmittel, sondern eine mechanische Zerkleinerung des Grases unter den Bäumen mehrmals im Jahr. Alles zu 100 % natürlich, darauf können Sie sich verlassen!
Die Honigbienen und die Wildhummeln sorgen für eine gute Bestäubung.
Marie Marois ergänzt: „Und die Ergebnisse sind sichtbar: Die Böden sind sehr lebendig und die Fauna (Insekten, Meisen, Raubvögel) ist sehr vielfältig. Ein lokaler Bienenzüchter hat mitten in unseren Wiesen etwa zwanzig Bienenstöcke aufgestellt. Seine Bienen sowie die Wildhummeln fördern die Bestäubung der Blüten. Diese kleinen Nektarsammler sind für eine gute Fremdbestäubung der Apfelbäume unentbehrlich … sie sind für eine gute Obsternte also unverzichtbar.“
Die Bäume werden jedes Jahr zwischen Mitte Januar und Anfang April verschnitten. „Das Verschneiden dient dazu, den Eintritt des Lichtes in das Astwerk zu begünstigen, damit die Zweige so viel Sonne wie möglich bekommen und die Früchte gut reifen können“, erklärt Marie Marois und bietet mir einen Apfel zum Kosten an, der den sehr passenden Namen „Petit Jaune“ (Kleiner Gelber) trägt. Ich beiße in diese köstliche säuerliche Sorte. Ich hatte erwartet, dass die Cidreäpfel ungenießbar herb und zu sauer sein würden, und traue nun meinen Geschmacksnerven nicht!
Oktober – Erntezeit!
In dieser Jahreszeit läuft die Ernte auf Hochtouren. Unter den Apfelbäumen ist ein dichtes Gras gewachsen, welches den herunterfallenden Äpfeln ein weiches Polster bietet. Weder Leiter noch Körbe – die Cidreäpfel werden nicht vom Baum gepflückt, sondern vom Boden aufgesammelt … von einer Maschine! Ich nehme definitiv von meinen Postkartenbildern Abstand … Die Sammelmaschine dreht während der Ernte auf jeder Plantage mehrere Runden, denn nur die reifen Äpfel fallen auf den Boden … Sie fallen nach ihrem Rhythmus …
In den 1980er Jahren musste man sich an verschnittenen Cidre herantrauen, mit dem Ziel, ins Ausland zu exportieren!
Bei der Domaine Dupont werden die Äpfel gesammelt und Sorte für Sorte in großen Lattenkisten gelagert, in denen sie zu Ende reifen. Denn eine Besonderheit des Hauses ist, dass die Dupont-Cidres sortenrein hergestellt und dann zu Cuvées verschnitten werden.
Vom Apfel zum Most
Nun geht's zu Presse. Hier ist, wo sich alles abspielt! An einem Sortiertisch entfernt ein Arbeiter Blätter, Ästchen und beschädigte Äpfel. Nur die vollkommen einwandfreien Äpfel werden verwendet, Garant für eine hochwertige Gärung. Bei ohrenbetäubendem Lärm werden die Früchte mit Wasser abgespült, dann geraspelt und in einem Tank gesammelt. Dann kommen sie in eine pneumatische Membranpresse, wie sie auch von den Winzern verwendet wird. Der Apfelduft ist stark und umschmeichelt meine Nase!
Die geraspelten Äpfel bleiben in einem Tank, bis mit einem Mal eine Presse mit 3,5 Tonnen befüllt werden kann. Während dieser kurzen Zeit werden auch die Gärhefen geweckt!
Ein Arbeiter im Blaumann schaltet die Presse ein, die langsam und vorsichtig auf das geraspelte Fruchtfleisch einwirkt. Heraus kommt ein sehr aromatischer Most. Ich probiere diesen ersten süßen und duftenden Saft. Ein Genuss! Der Most wird sofort in einen Tank geleitet und auf eine Temperatur von 8 °C herabgekühlt. In einem klimatisierten Keller beginnt er seine langsame Gärung.
Nach einigen Wochen der Gärung nimmt Kellermeister Arnaud den Verschnitt der sortenreinen Moste vor, um verschiedene Cuvées mit spezifischen Aromen zu kreieren, die alle einen Alkoholgehalt um 6 ° haben.
Wie beim Crémant und beim Champagner kontrollieren wir die natürliche Schaumbildung bis zur Abfüllung in Flaschen
Anschließend wird der so gemischte Cidre in Flaschen abgefüllt, wo sich die Gärung fortsetzt und dadurch natürlich Kohlensäure gebildet wird, ein besonderes Merkmal der Appellation Pays d'Auge. Hier wird nichts mit Kohlensäure versetzt: Apfel, purer Apfel, und schwups lässt man die Natur arbeiten ...
Er ist gut und er ist bio – was will man mehr?
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