„Von weit oben die Kelle ausleeren! Nicht zu schnell!“ Francis Dèche, in seinen Siebzigern, sein Leben lang Winzer im Gers, führt meine Hand mit der langen Schöpfkelle wieder in die Höhe. „Es muss richtig brennen, wir wollen die Flammen sehen!“ Er funkelt mich aus heißblütigen Augen wie ein Hexenmeister an.
Wir stehen am Kupferkessel, der gut fünfzig Zentimeter Durchmesser hat und ebenso viele Liter aufnehmen kann und indem der frisch gebrannte Armagnac brodelt. Um uns stehen weitere zehn ältere Herren. Es ist spät und der Brûlot d’Armagnac der krönende, hochprozentige Abschluss eines launigen, feucht-fröhlichen Abends. Mit hundert begeisterten Armagnac Liebhaber*innen haben wir zünftig an langen Tischen gesessen, drei Gänge deftigste Hausmannskost verspeist, den Wein der Familie getrunken und am Ende auf den Tischen getanzt und die alte okzitanische Hymne Se canto intoniert. Gewärmt vom Feuer des Alambic und dem reichlich ausgeschenkten Armagnac, haben wir in der eisigen Novembernacht die Weinhalle mit unserer Freude erfüllt und die Familie und die Früchte ihrer Arbeit gefeiert.
Mir wird nun eine Ehre des Brûlot zuteil, die sonst den Herren zukommt. Die großen Zuckerwürfel haben den weißen Armagnac, frisch gebrannt aus dem Destilliergerät, aufgenommen. Mit einer Temperatur von 55-60 Grad Celsius ist er aus dem Alambic gelaufen. Angezündet wird der Brand, um ihn zu erhitzen, sodass der Zucker schmelzen kann. Der Alkohol muss weiter brennen. Es werden Zitronenschnitze und Vanilleschoten dazugegeben und dann muss alles mit der Kelle immer wieder und wieder aufgenommen werden, um aus einer guten Höhe in den Kupferkessel zu rinnen.
„Los, noch höher!“ Die Herren um mich herum klatschen in die Hände und auch an den Tischen gibt es kein Halten. „Höher, höher!“, rufen sie aus heiseren Kehlen und ich gebe mein Bestes, sodass Francis Dèche mich loben kann und alle anderen anerkennend nicken.
Zwölf Tage ist die Flamme im Alambic nicht ausgegangen. Zwei Experten sind mit dem mobilen Destillierwagen angereist und haben den archaisch anmutenden Kupferriesen in der großen Halle des Weinguts aufgebaut. Zwölf Tage und Nächte haben sie abwechselnd Holz in den Schlund des altertümlichen Monsters gestopft, auf dass es den Wein zum gehaltvollen Brand werden lässt und die Flamme ja nicht erlischt. Einmal wird gebrannt, nicht wie beim Cognac, der zweifach gebrannt wird.
Das Château de Millet in Éauze produziert Wein und das Lebenswasser Armagnac. Im Fasskeller reift der weiße Brand in alten Eichenfässern zum edlen, vielschichtigen, hoch aromatischen Armagnac in goldbraun. In drei Regionen wird er im Gers hergestellt, Bas Armagnac, Ténarèze und Haut Armagnac. Bei den Fassproben am Nachmittag konnten wir uns von der hohen Qualität überzeugen und stolz erklärt Laurence, die Tochter von Francis, wie erfolgreich und gefragt der Armagnac der Familie ist.
„Gut gemacht, Sie dürfen wiederkommen.“ Der alte Haudegen Dèche drückt mir ein Glas aus dem Kupferkessel in die Hand und wir trinken auf uns, auf die Gemeinschaft und das Leben.
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