Pizza auf Französisch! – Pissaladière, Quiche und Flammkuchen …

Von Stevan Paul

Gerade im Spätsommer und Herbst sind würzige französische Kuchen im Trend – mit einem Salat und einem guten Glas Cidre, Crémant oder Wein haben sie immer Saison! Ein Bummel durch die herzhafte Boulangerie – mit spannende Getränke-Parings, auch ohne Alkohol!

Pissaladière

Ein Septemberabend im Luberon. Auf dem regionalen Erzeugermarkt im Dörfchen Taillades nahe des Städtchen Cavaillon genießen wir frische Austern und in Salzwasser gegarte Shrimps, dazu ein Glas Landwein. So geht Aperitif! Wir kaufen Käse und Schinken, einen Knoblauchzopf für zu Hause und eine süß duftende Cavaillon-Melone.

Unsere Gastgeber Nathalie und Jean-François überraschen uns nach unserer Rückkehr mit einem französischen Klassiker, der mir lange nicht mehr begegnet ist:

Eine Entdeckung: die Pissaladière

Die Pissaladière ist am ehesten vergleichbar mit einem Zwiebelkuchen, das würde ihr aber nicht gerecht. Es ist Zwiebelkuchen in Bestform: saftig, auf knusper-blättrigem Teig, dazu Sardellen und/oder schwarze Oliven, als geschmackliche Ausrufezeichen! Die salzigen Sardellen schaffen eine tiefe Würze, natürliches Umami, in Kombination mit den süßen geschmorten Zwiebeln ist das einfach grandios!

Ursprünglich wurde die Pissaladière aus Brotteig gebacken, Jean-François verwendet Mille-Feuille-Blätterteig und weil er weiß, dass auch die Kulinarik ständig weiterentwickelt werden kann, hat er dem Klassiker ein paar reife Tomaten zusätzlich spendiert. Sie bringen noch mehr Süße, Frucht und pointierte Säure – genial!

Bei einem Glas Crémant sprechen wir über die große französische Tradition herzhafter Kuchen, die in Frankreich zum Alltag gehören und in Variation sowohl in den Bäckereien wie auch im Feinkostgeschäft angeboten werden. Zwei wandelbare Klassiker seien hier vorgestellt:

Der Klassiker (Quiche Lorraine)

Die Quiche ist weltweit Frankreichs beliebtester Beitrag zur herzhaften Kuchenbäckerei. meist bildet ein Mürbteig aus Butter, Mehl und Ei die knusprig-mürbe Basis und den Rahmen für einen rahmigen Eier-Guss mit Crème fraîche oder Sahne, mit Käse, Spinat, Speck und Lauch – grenzenlos variabel. Ihren Uhrsprung hat die Quiche im Lothringer Speckkuchen, der Quiche Lorraine. Das berühmte Rezept soll im 16. Jahrhundert von einem Bäckermeister in Nancy erfunden worden sein, ursprünglich mit Brotteig gebacken. Erst im 19. Jahrhundert kam der Mürbteig hinzu. Nur Räucherspeckwürfel, dürfen in den cremigen Guss, der die Spezialität der Region ausmacht.

Besonders mürbe wird der Teig, wenn er vor der Befüllung mit dem Eierguss, erst einmal „blind“ gebacken wird: dafür den Teig in der Form mit Backpapier auslegen. Murmeln, Keramik-Backbohnen oder getrocknete Hülsenfrüchten sorgen dafür, dass sich der Teig beim Vorbacken im heißen Ofen nicht wölbt. Bei 200 Grad 10–12 Minuten backen, dann das Backpapier und die Beschwerung entfernen, den Guss einfüllen und 20–26 Minuten goldbraun fertig backen. Eine schnellere Variante der Quiche Lorraine lässt sich aus Blätterteig herstellen – das dürfen wir nur den Traditionalisten nicht verraten!

Der Vielseitige: Flammkuchen (tarte flambée)

Ähnlich berühmt ist der Flammkuchen, die tarte flambée aus dem Elsass: Der dünne Fladen aus Hefeteig wird mit Crème fraîche bestrichen, mit wenig geriebenem Käse bestreut und mit fein geschnittenen (Frühlings-)Zwiebeln und/oder feinen Speckwürfeln getoppt und dann in den heißen Ofen (220–250 Grad) geschoben. Schon nach 12–15 Minuten ist so ein Flammkuchen knusprig. Ursprünglich wurden die Flammkuchen am Brot-Backtag in den Holzöfen der Dörfer gegart, dabei nutzte man die kräftige Anfangshitze der Befeuerung – und reichte die Stücke später den hart arbeitenden Bäcker*innen als unkomplizierten Snack.

Persönlich mag ich meinen Flammkuchen ohne Speck, dafür belege ich ihn nach dem Backen mit hauchdünn geschnittenem luftgetrocknetem Schinken, z. B. aus Bayonne. Varianten mit Räucherlachs oder Blauschimmelkäse machen Freude, auch in Kombination mit der fruchtigen Süße von einigen Apfel- oder Birnen-Würfeln. Ein echter Hit ist Flammkuchen mit Camembert und ein paar Tupfen Preiselbeer-Konfitüre!

Quiche & Co – Abendessen in bester (Getränke-)Begleitung

Wider Erwarten machen die herzhaften französischen Klassiker nicht viel Arbeit. Wenn Teig und Füllung vorbereitet sind, bäckt das Ganze im Ofen von alleine, gerade wenn man die Abkürzung über gekauften Fix-Teig aus dem Kühlregal nimmt.  Quiche & Co lassen sich super vorbereiten, sie schmecken warm und kalt (und lassen sich abgekühlt prima mit zur Arbeit nehmen!)

Mittags mit einem kleinen Salat serviert ist das ein unkompliziertes Essen. Abends und in geselliger Runde zum Wein wird ein Fest daraus. Die herzhaften Kuchen sind charmante Begleiter zu vielerlei Getränken:

Crémant

Immer eine gute Wahl: Die perlende Frische eines Schaumweins passt perfekt zu würzigen, reichen Quiches. Als Crémant bezeichnet man Schaumweine, die nach traditioneller Flaschengärung, aber eben nicht in der Champagne, hergestellt wurden. In Frankreich findet man besten Crémant aus den unterschiedlichsten Weinanbaugebieten, bei uns ist vor allem der unkomplizierte Crémant de Loire und Crémant d’Alsace bekannt. Ein Crèmant blanc de blancs ist dabei aus weißen Chardonnay-Trauben gekeltert, ein blanc de noirs aus roten Trauben (z.B. Pinot Noir, Pinot Meunier), jedoch überwiegend ohne die farbgebende Beerenschale, die allenfalls ein leichter Rosé-Ton verrät. Das Preis-Leistungsverhältnis ist häufig so freundlich, dass sich eine Verkostung lohnt, um den individuellen Lieblings-Crémant zu finden!

Noch mehr Perlen: Cidre

Aus der Bretagne kommt ein weiterer Klassiker, der formidable zu den würzigen Kuchen passt: Cidre! Ein Apfelwein, bei dem es die Kunst des Keltermeisters darin besteht, aus süßen, sauren und herben Apfelsorten eine Cuvée zu schaffen, die süffig, mild und dennoch strukturiert und mit Charakter daherkommt. Ein bis drei Monate reift der Most aus Herbstäpfeln nach dem ersten Frost. Er moussiert auf natürliche Weise durch Flaschengärung oder es wird Kohlensäure zugesetzt. Zum Flammkuchen schmeckt hervorragend ein cidre brut, ein trockener Apfelwein von um die 5 Vol.-%.

Wein – frisch, jung, beschwingt und vielfältig

Zu Quiche & Co. passen die jungen, spritzigen Weißweine, die gerne eine schlanke Säure mitbringen und so einen erfrischenden Gegenpart zum üppigen Gericht bilden. Die Weine der Loire bieten hier eine ausgezeichnete Vielfalt wie die mineralisch-frischen Weine des Entre deux mers im Bordelaise. Doch es geht auch ganz anders, etwa mit den mitunter wild-herben Weißweinen aus dem Languedoc-Roussillon oder der Provence, ein schmelziger Chablis, ein Chenin Blanc …

Auch bei den Rotweinen sind jugendfrische Leichtgewichte ein guter Einstieg. Zur Quiche passt ein einfacher fruchtiger Beaujolais oder Beaujolais Cru, ein Cabernet Franc oder Cabernet Sauvignon der Côtes de Bourg. Eine Quiche ist also eine gute Gelegenheit, im Freundeskreis unterschiedliche Flaschen für eine Verkostung zu öffnen.

Alkoholfrei – richtig spannend!

Es geht auch alkoholfrei – und zwar sehr gut! Ganz einfach ist eine Mischung aus Apfelsaft oder Apfelmost mit eiskaltem Mineralwasser im Verhältnis 2:1 gemischt. Das Ganze nimmt mit einem Spritzer Zitronensaft oder einem Hauch frisch geriebenem Ingwer Fahrt auf. Ein angedrücktes Minzblatt sorgt hintergründig für noch mehr Frische.

Ideal ist auch Quittensaft als Schorle mit Mineralwasser: Die Quitten bringen eine ganz eigene Herbe mit. Selbiges gilt für Quitten-Shrubs aus Quittensaft und Apfelessig, hier schwöre ich auf die handwerklich hergestellten Bio-Shrubs der Essig-Hütte Adrian, die man auch online bestellen kann.

Verjus – nachhaltig sauer

Frische und Herbe, das vereint auch Verjus in sich. Der Saft grüner Trauben bringt eine feine Säure mit, sie ist milder als Essig, würziger als Zitronensaft. Gewonnen wird er aus jenen grünen Trauben, die beim Ausdünnen von Rebstöcken zwecks Qualitätskonzentration früh entfernt werden. Diese Tradition wird in Frankreich vor allem noch auf Weingütern in der Charente, dem Burgund und dem Périgord gepflegt. Dank der nordischen Küche und der allgemein gestiegenen Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit und ökologische Verhältnismäßigkeiten, feiert Verjus derzeit in den besten Küchen eine Renaissance als Zitronen-„Ersatz“. Nur mit kaltem Mineralwasser aufgegossen ist das ein Vergnügen. Verjus liebt aber auch Honig, Kräuter, Tees, Holundersirup …

Bei Tisch im Luberon öffnen wir allerdings eine Flasche Rotwein der örtlichen Winzergenossenschaft, denn gleich servieren uns Nathalie und Jean-François saftige Barbarie-Entenbrust von der Plancha mit Röstkartoffeln, geschmolzenen Feigen und gerösteter Cavaillon-Melone. Doch davon erzähle ich ein andermal!

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