Die in Frankreich lebende Food-Journalistin Keda Black erzählt Taste France Magazine, wie sie zu Coronazeiten kocht. Oder auch wie die Ausgangssperre ihre Einstellung zum Kochen beeinflusst.
Tag 1, Tag 2 ..., Tag 14 ..., Tag 23 ... Die Tage vergehen und ich komme nicht umhin, ziemlich viel Zeit in der Küche zu verbringen. Ich stehe länger am Herd, aber vor allem verwende ich die Zeit anders. Slow Food ist in! Fast Food gehört der Vergangenheit an.
Einkaufen gehen, nicht schnell mal runterlaufen
Meistens bin ich mit meiner geschickten Mischung aus Organisation und Improvisation sehr zufrieden. Im Voraus zubereitete Brühe oder selbstgemachter Blätterteig im Gefrierfach ermöglichen es mir, ohne Vorwarnung ein Risotto oder eine Pastete zusammen mit dem Einkauf des Tages oder Resten aus dem Kühlschrank auf den Tisch zu zaubern. Im Lockdown ändern sich jedoch die Spielregeln. Es ist unmöglich, wegen jeder fehlenden Zutat in den nächsten Laden zu laufen oder auf dem Markt müßig von Stand zu Stand zu schlendern. Ich muss den Gemüseverbrauch vorausplanen, den Wocheneinkauf optimieren und vor allem alles aufbrauchen, was ich zu Hause habe. Die Resteverwertung ist nicht nur eine Marotte im Geist der Zeit. Die bäuerliche Sparsamkeit ist wesentlich geworden, um bis zum nächsten erlaubten Ausgang auszukommen. Gleichzeitig heißt es, den Gerichten mehr Geschmack zu verleihen, etwa mit einer Brühe aus Gemüseabfällen, um eine einfache Suppe oder die Soße für die Teigwaren zu verfeinern.
Elastische Zeit
Die Tage kommen und gehen und jeder fühlt sich wie der vorherige an. Sie verändern unser Zeitempfinden und verleihen mir den seltsamen Eindruck, dass die Tage länger werden. Vor diesem Hintergrund finde ich zeitraubende Köstlichkeiten wieder interessant. Beispielsweise selbstgebackenes Brot. Früher fand ich das mehrfache, lange Aufgehen einfach langweilig, aber heute verleihen diese Arbeitsschritte dem Tag einen neuen Rhythmus. Als Lohn für meine Anstrengungen kann ich den Deckel öffnen und einen verführerisch riechenden, knusprigen Laib aus dem Topf nehmen. Ein beruhigendes Ritual. Auch die akribisch genaue Vorbereitung der Bitterorangen für meine Marmelade zieht mich in ihren Bann. Es ist viel einfacher, einen ganzen Nachmittag mit Marmeladekochen zu verbringen, wenn man dafür nicht den neuesten Film im Kino oder eine Ausstellung versäumt. Dann kommt noch das Einmachen! Die Zubereitung von fermentiertem Gemüse und sonstigen Mixed Pickles ist eigentlich nicht sehr aufwendig, aber es beruhigt mich zu wissen, dass meine in Salz eingelegten Zitronen mindestens ebenso lange eingesperrt sein werden wie ich, bevor sie wieder hinaus dürfen.
Teamarbeit
Der letzte und wohl auch wichtigste Effekt des Wandels, den die Zeit in der Küche erfährt? Verantwortung abgeben. Ob die Schulen nun geschlossen sind oder nicht, es ist Schluss mit Festen, Pyjama-Partys und Skate-Sessions. Ob im Homeoffice oder nicht, adieu Pokerabend, Fußballspiel mit Freunden und endlose Aperitifs. Das heißt, es bleibt mehr Zeit zum Kochen. Jetzt müssen alle Familienmitglieder anpacken, beim Zubereiten und beim Spülen. Heute Abend macht mein ältester Sohn Kalbsfrikassee. Könnten Sie vielleicht einer plötzlich arbeitslosen Köchin eine gute TV-Serie empfehlen?
Creator
Autorin