„Wenn ich nicht bald etwas zu trinken bekomme, dann falle ich um!“ Anfang Juni und in Südfrankreich ist die erste Hitzewelle, la Canicule, des Jahres angekommen. Neununddreißig Grad im Schatten, und das sogar in der Montagne Noire.
Wir stehen am kleinen 122 m langen Tunnelchen, der La Voûte Vauban im Ort Les Cammazes.
Herrlich gelegen, in einem, normalerweise, kühlenden Waldstück, wird der Durchbruch vom heißesten Franzosen des 17. Jahrhunderts konstruiert, dem Architekten Vauban. Der ist ganz begeistert vom Canal du Midi und seinem Erfinder Pierre-Paul Riquet und er will den Kanal vor Versandung bewahren. Dafür lässt er den Durchbruch anlegen, sodass das Wasser aus den Bergen in den See Saint-Ferréol geleitet werden kann und auch den Canal du Midi versorgt.
„Überall Wasser, nur nicht in unseren Kehlen!“ jammert einer der Mitreisenden. Zum Glück sitzen wir wenige Minuten später im klimatisierten Salon de Vauban, in der Hoffnung, dass auch unsere Körper gleich etwas Kühlendes bekommen.
„Bloß keinen Wein, dann bin ich gleich hinüber“, flüstere ich meiner Nachbarin zu. Dann werden bereits drei eineinhalb Liter Flaschen auf den Tisch gestellt. Die Madame lässt den Verschluss mit einem vernehmlichen Plopp aufspringen und schenkt die Flüssigkeit in unsere Gläser. Eiskalt, am Glas perlt es außen.
Gierig nehme ich den ersten Schluck. Ah, was ist das?! Kühl und erfrischend als wäre man in das belebende Nass des kleinen Bergtunnels gesprungen. Die winzigen Blubberbläschen tanzen auf der Zunge und kitzeln die trockene Kehle. Leicht und unkompliziert, mild-herb, erinnert es an Cidre. Ich schenke mir selbst nach und sehe in den Gesichtern der anderen, die sind ebenso überrascht von dem unbekannten Durstlöscher.
„Frênette…“ antwortet die Besitzerin des Salons. „Eschenblätter werden fermentiert. Ich komme aus Nordfrankreich, da kennt man es unter Cidre de frêne. Und es ist liebesfördernd. Die Esche ist der Baum der Götter und besitzt zudem die Macht über das Wasser.“
Neben der Frênette stehen in den Regalen der kleinen Épicerie, auch weitere fermentierte Getränke. Wasserkefir, der mit Aprikosen aus dem Süden, Feigen oder Pflaumen aus Agen hergestellt ist. Daneben finden sich Hydromel, ein fermentiertes Getränk mit hochwertigem Honig, das auch mit Äpfeln köstlich ist, außerdem Kombucha, fermentierter Kräutertee und Kwas.
„Die natürlichen Getränke aus fermentierten Zutaten erleben einen Renaissance. Viele wollen eher einen niedrigen Alkoholgehalt, finden aber herkömmliche alkoholfreie Getränke zu süß, zu künstlich, zu platt.“ Madame ist ganz in ihrem Element. Sie packt mir zwei Flaschen in meine Tasche. „Es sind hervorragende Alternativen, die sich super leicht auch zu Hause herstellen lassen. Gesund sind sie auch noch.“ Sie grinst mich an, beugt sich zu mir. „Und ganz ehrlich, die Cocktails, die sich daraus machen lassen, die hauen jeden um. Ob mit oder ohne Alkohol!“
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