Mit seinen 3,5 Hektar im Jura verfügt Philippe Chatillon über eine sehr überschaubare Anbaufläche, auf der er sowohl im Weinberg als auch beim Ausbau seines Weins umso präziser vorgehen kann. Ein kurzer Überblick und Besuch beim Winzer.
Wie das Roussillon hat auch das Weinbaugebiet Jura in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren so richtig durchgestartet. In der Vergangenheit wurde die zwischen Burgund und Schweizer Grenze gelegene Region von den meisten Weinhändlern und Sommeliers eher stiefmütterlich behandelt. Wenn es hochkam, verstaubten in den Weinkellern ein oder zwei Flaschen Vin Jaune auf den hintersten Regalen. Die einschlägigen Weinführer widmeten der Region noch nicht einmal ein eigenes Kapitel, sondern erwähnten sie in einem Atemzug mit Savoyen. Die Öffentlichkeit wiederum hatte bestenfalls eine vage Vorstellung der lokalen Weine. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Der gegenwärtige Trend zu frischeren und die Abkehr von schweren Weinen hat sicherlich das Seine dazu beigetragen. Dank noch relativ erschwinglicher Bodenpreise konnten sich junge, talentierte Weinbauern hier niederlassen, um namhaften Winzern wie Stéphane Tissot oder Jean-François Ganevat nachzueifern. Umso besser, denn das Jura hat so einiges zu bieten!
Eine unvergleichliche Weinregion
Die Weinberge schmiegen sich in die geschwungene Landschaft der Ausläufer des ersten Jura-Plateaus – mal auf hügeligem Boden, mal an Steilhängen gelegen. Natur wie aus dem Bilderbuch! Was die Reben angeht, so zeugt das Jura von einer einzigartigen Persönlichkeit. Neben Pinot noir und Chardonnay, die die Region mit dem benachbarten Burgund gemeinsam hat, kann sie mit Rebsorten aufwarten, die nirgendwo anders anzutreffen sind: weißem Savagnin und rotem Trousseau und Poulsard. Ergänzend zur Kategorie der Vin Jaunes und der sogenannten Strohweine (Vins de Paille) ergeben sie ganz hervorragende Weine mit mannigfaltigen Facetten. So harmoniert Savagnin ganz vorzüglich mit Comté. Zu Vin Jaune ausgebaut, kann diese Rebsorte mit typischen oxidativen Noten wie Walnuss und Curry aufwarten, die vortrefflich zu Geflügel und würzigen Gerichten munden. Poulsard ist eine rote Rebsorte mit heller Robe und harmoniert mit seinen fruchtigen und pfeffrigen Noten sowie dezenten Tanninen perfekt zu Wurstwaren: ideal also zum Genießen im Freundeskreis oder zum Aperitif. Etwas farbintensiver und kräftiger, aber nicht vorlaut, präsentiert sich der Trousseau und erweist sich als perfekter Begleiter von Fleischgerichten. Strohwein wird aus vorgetrockneten Trauben mit höherem Süßegrad hergestellt. Er ist mild, aber nicht schwer. Er ist der ideale Wein zu einem Obstkuchen mit weiß- oder gelbfleischigen Früchten, aber auch solo ein Genuss!
Ein Winzer mit viel Fingerspitzengefühl
Die Region kann zudem mit hochtalentierten Winzern und Winzerinnen aufwarten, die alle Register ziehen, um ihr herausragendes Potenzial voll auszuschöpfen. Besuch bei einem von ihnen: Philippe Chatillon. Der frühere Manager eines großen Weinguts der Region war einer der Ersten, die sich hier Ende der 90er-Jahre zunächst dem biologischen und später dann dem biodynamischen Anbau zuwandten. 2009 verließ er das Unternehmen, um sich zunächst in Lirac und dann in Bordeaux niederzulassen, bevor er 2013 schließlich in den Süden des Juras zurückkehrte und sein eigenes (Bio-)Weingut gründete. Heute bewirtschaftet er 3,5 Hektar Rebfläche größtenteils um Arbois, darunter die renommierte Lage Nouvelles. Er produziert überwiegend Savagnin – die typische Rebsorte der Region – Chardonnay und Pinot noir sowie eine Parzelle mit alten heimischen Sorten. Mit Zertifizierungen und kommerziellen Strategien hat er nicht viel am Hut, er ist Bio-Winzer aus Überzeugung. So erläutert er auch, dass er gleich nach der Lese „grünen Dünger“ aussäht: Dadurch wird der Boden aufgefrischt und die „Reben erhalten den nötigen Stickstoff“. Mit Liebe zum Detail experimentiert er viel, befasst sich mit der Energie des Weins, seinen „Schwingungen“ und widmet sich mit Leidenschaft den sensorischen Aspekten der Weinverkostung – einer Disziplin, in der er zudem als Lehrender tätig war.
Hier wird reiner Wein eingeschenkt!
Was all seine Weine auszeichnet? Intensität (nicht zu verwechseln mit Überschwang oder Kraft), Tiefe (ohne jegliche Schwere, ganz im Gegenteil) und ein Flow, der dem überaus reinen, direkt durch Trauben und Terroir bedingten Ausdruckspotenzial zugutekommt. So versteht es sich ganz von selbst, dass seine Weine, die das erste offizielle Naturwein-Siegel („Vin méthode nature“) tragen, ganz besonderen Trinkgenuss bieten. Und bei einem derart köstlichen Abgang verwundert es nicht, dass er nach mehr schmeckt.
Die Auswahl von Taste France Magazine
Arbois, Savagnin ouillé – “Amphore” 2021
Die Assemblage verschiedener Savagnin-Sorten reift sechs Monate lang in Amphoren. Eine überaus lebhafte Cuvée mit vollmundig-verlockendem Charakter: unwiderstehlich!
Arbois, Savagnin ouillé – “Sage Vagnin” 2020
Eine weitere Cuvée aus Savagnin-Trauben. Sie zeichnet sich durch besondere Tiefe aus und bietet eine großartige aromatische Komplexität mit Noten von Feuerstein sowie eine angenehme Bitterkeit, die dem Wein eine gewisse Geradlinigkeit verleiht. Vollmundiger, verführerischer Abgang.
Vin jaune - 2014
Schon mal vom oxidativen Ausbau des Vin Jaune gehört? Es kann schon mal vorkommen, dass er geschmacklich alles andere übertüncht. Doch von einer derartigen Karikatur ist man hier weit entfernt. Dieser Wein punktet mit bemerkenswerter Frische, die subtil dosiert, quasi in impressionistischen Tupfern, aufflackert. Noten von Apfel, Curry und Pilzen. Ein wahrer Genuss!
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