Vieles gibt es, was Frankreich und Deutschland verbindet, bei aller Unterschiedlichkeit. Die Liebe zum guten Brot ist eine Gemeinsamkeit.
Ein deutsches Abendbrot mit belegten Brotscheiben, die Stulle, Bemme oder Schnitte zum Mitnehmen für unterwegs, ist nicht wegzudenken. Aus unzähligen Brotsorten kann geschöpft werden und für jeden Geschmack ist etwas dabei. Eine ähnliche Fülle gibt es nur in Frankreich. Was wäre das Land ohne sein Baguette, eine bescheidene längliche Brotstange, die doch einen Unterschied macht und Diskussionsstoff bietet. Der Preis für Baguette unterscheidet sich, vielleicht mit Ausnahme von Paris, im Land nicht wesentlich. Das tägliche Baguette ist eine Institution, der Gang in die Bäckerei ein Erlebnis, das jedes Mal von Neuem beglückt. Erst recht dann, wenn man sich ein Stück vom Ende, le quignon genannt, abbricht und auf dem Rückweg verzehrt. Ist man in Frankreich zu einem Essen bei Freunden eingeladen und das Baguette liegt im Ganzen auf dem Tisch, geht es informell zu. Man bricht sich einfach ein Stück ab, ein Messer ist nicht nötig. Kurz und gut, das Baguette ist schon ein Kulturgut und so verwundert es nicht, dass eine Anfrage platziert wurde, um das Baguette in das immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO aufzunehmen.
Auch belegt werden Baguette in Frankreich gern gegessen, ein Klassiker ist das Jambon-Beurre, ein Baguette, bestrichen mit Salz-Butter und belegt mit Schinken. Wenig französisch klingend aber trotzdem typisch französisch, wird das belegte Brot dann zum Sandwich und erfreut Groß und Klein. In der Sandwicherie ebenfalls beliebt sind Sandwiches mit Camembert, Brie oder Ziegenkäse.
Ein weiterer kulinarischer Dauerbrenner ist das Croque – in beiden Varianten, als Croque-Monsieur oder Croque-Madame. Sein Ursprung lässt sich nach Australien zu den Aborigines zurückverfolgen, die ihre tägliche Jagd-Beute zwischen zwei Scheiben Teig legten, diese in eine Zange einspannten und auf einem Holzfeuer toasteten. In seiner bekanntesten Form tauchte das Croque-Monsieur um 1910 in einem Pariser Café auf dem Boulevard des Capucines auf. Zwischen zwei viereckigen Scheiben Pain de Mie, einer Art Toastbrot, das eher an Brioche erinnert, wird Schinken gelegt, beide Hälften zusammengeklappt, mit geriebenem Käse, oft Comté, bestreut und im Ofen überbacken. Weniger anspruchsvoll wird es einfach in der Pfanne gebacken.
Woher der Name kommt, bleibt unsicher. Das Wort „croque“ bezeichnet in der Provinz schlicht Brot, das in aufgeschlagenen Eiern gebadet und im Anschluss gegrillt wird. Croquer als Wort wird übersetzt mit knacken, krachen oder beißen. In Paris haben vermutlich die Messieurs (Mehrzahl von Monsieur) ein Croque bestellt, das schnell und warm serviert wurde und voilà entstand der Name Croque-Monsieur. Eine andere Erklärung liefert der Historiker René Girard. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts soll der Patron des Café „Le Bel Age“ in Paris ein Sandwich mit Pain de Mie angeboten und damit das Baguette ersetzt haben. Ihm eilte ein zweifelhafter und seltsamer Ruf als Kannibale voraus. Ein Gast soll gefragt haben, um welches Fleisch es sich denn handle, zwischen den beiden Brotscheiben, woraufhin der Besitzer scherzhaft geantwortet habe: „de la viande de monsieur“, was so viel heißt, wie „das Fleisch von Monsieur“. Die weibliche Variante, als Croque-Madame bekommt obenauf noch ein Spiegelei.
Interessant ist, dass es in Norddeutschland ebenfalls eine Variante des Croque gibt, die sich aber vom französischen deutlich unterscheidet. Für die deutsche Version wird ein Baguette mit Kochschinken und Käse belegt. Überbacken wird nur die untere Baguette-Scheibe mit den Zutaten. Mittlerweile gibt es sowohl für die französische als auch die deutschen Croques unzählige Variationen.
Und man mag es kaum glauben, aber auch bei offenen belegten Broten gibt es Gemeinsamkeiten. Das deutsche Abendbrot, zu dem man sich eine Brotscheibe, regional unterschiedlich als Stulle, Schnitte oder Bemme bezeichnet, bestreicht und belegt, gibt es abgewandelt auch in Frankreich. Eine Scheibe Brot, bestrichen und belegt und nicht zusammengeklappt, heißt Tartine.
Étaler, tartiner oder beurrer bedeutet so viel wie bestreichen, beurrer auch oft in der ursprünglichen Bedeutung von buttern, eine Brotscheibe mit Butter bestreichen.
Witzig ist die andere Bedeutung von tartiner, etwas voll schreiben oder als écrire des tartines, einen ganzen Roman schreiben. Beides meint, dass man sich zu einem Thema nicht kurz fassen kann sondern eben mehr sagt oder schreibt als notwendig.
Tartines werden in Frankreich sehr gern zu einem Apéritif dînatoire gereicht. Anstatt eines umfangreichen Dîners am Abend, das auch formell sein kann, ist das die lässige, unkomplizierte und modernere Variante des Zusammenkommens mit Familie und Freunden. Häufig gibt es dann eine Auswahl unterschiedlicher Tartines. Die erfreuen sich deshalb so großer Beliebtheit weil sie viele Vorteile haben. Sie sind relativ schnell vorzubereiten, sind in ihren Zutaten super flexibel und machen optisch richtig was her. Wenn man weiß, was eine leckere Tartine ausmacht, hat man für jede Gelegenheit eine Idee.
Was man braucht:
- ein gutes Brot, ganz nach Geschmack z. B. ein Sauerteigbrot, mit Körnern oder ohne, Roggen oder Weizen, für Personen mit Allergien aus Kastanienmehl oder mit Oliven oder Trockenfrüchten
- die Tartinade oder der Aufstrich, für eine cremige Konsistenz auf dem knusprigen Brot, ganz einfach z. B. Butter mit Fleur de Sel, Olivenöl oder Frischkäse, besonders köstlich sind Aufstriche wie Humus oder Oliventapenade.
- ein besonderes Produkt, für Leckermäuler, z. B. Fisch, Entenbrust, Käse wie Brie oder Camembert, die den Geschmack der Tartine bestimmen
- ein frisches Produkt, wie Kräuter, frische Früchte oder Gemüse, die neben einem Frische-Kick, etwas Pikantes, Knuspriges und etwas Säure einbringen, gut geeignet sind auch Pestos oder Chutneys
- Würze und Toppings, z. B. ein gutes Nuss-oder Sesamöl, ein besonderer Essig, Zitronensaft oder schlicht Mandeln, Nüsse, Pinienkerne, außerdem immer ein bisschen Fleur de Sel und frisch gemahlenen Pfeffer.
Orientiert man sich an diesen Empfehlungen eröffnen sich zahlreiche Varianten für alle Geschmäcker. Tartines funktionieren vegetarisch und vegan und mit den richtigen Zutaten auch für AllergikerInnen. Und selbstverständlich gibt es sie auch in süß. Eine Scheibe Brioche, leicht getoastet, bestrichen mit einem cremigen Frischkäse und einer Konfitüre aus prallen Früchten, ein paar gehackte Nüsse oder Mandeln und ganz mutig, ein paar frische Kräuter obendrauf, machen ein sehr luxuriöses Frühstück oder ein nachmittägliches goûter, der kleine Imbiss, der eine schöne Unterbrechung von der Arbeit ist oder hungrige Kindermünder zu erfreuen weiß.
Wie unschwer zu erkennen ist, auch beim Brot gibt es viel mehr Verbindendes zwischen Deutschland und Frankreich als man vielleicht gedacht hat.
Creator
Bloggerin