Rive gauche oder Rive droite? 

Wenn Franzosen über Bordeaux-Weine reden, geht es häufig um die Frage: „Linkes oder rechtes Ufer?“ Womit wir beim Terroir wären. Die Mündung der Gironde teilt sich bei Bordeaux in zwei Flüsse, die die 110.000 Hektar große Weinregion durchziehen. Das rechte Ufer (Rive droite) verläuft nördlich der Dordogne, das linke Ufer (Rive gauche) südlich der Garonne. 

Die Weine der Rive droite: geprägt durch außergewöhnliche Terroirs 

Nördlich von Bordeaux liegt die Heimat erlesener Crus wie Saint-Emilion, mit so prestigeträchtigen Weingütern wie Château Ausone und Château Cheval Blanc. In der Appellation Pomerol wiederum ist der legendäre Pétrus zu Hause. 

Die Böden sind überwiegend lehmhaltig, bestehen aber auch aus Kalkstein, Sand oder Kies. Im hiesigen gemäßigten Klima kann sich der Merlot, die vorherrschende Rebsorte des Rive droite, ideal entfalten. Sie wird in Saint-Emilion oder Pomerol hauptsächlich reinsortig verarbeitet, aber auch als Assemblage mit Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon. 

Der dominante Charakter des Merlot entfaltet ein Bouquet mit Aromen dunkler Beeren wie schwarze Johannisbeere und Brombeere sowie roter Früchte wie Kirsche. Das außergewöhnliche Terroir steuert zudem Noten von Veilchen und Pfingstrose bei. 

Die Weine des Rive droite sind weich, delikat und ausgewogen und können im Gegensatz zu den Erzeugnissen des Rive gauche bereits als junge Jahrgänge genossen werden. 

Die Weine des Rive gauche: die legendären Châteaux  

Im Süden des Bordelais befinden sich rund um die Stadt Bordeaux die weltweit renommiertesten Châteaux, darunter Weingüter wie Château Margaux, Château COS d’Estournel, Château Haut-Brion, Château Lafite-Rothschild oder Mouton-Rothschild. Der internationale Ruhm der drei prestigeträchtigen Weinbaugebiete beruht nicht zuletzt auf ihrer herausragenden Klassifizierung: Die offizielle Klassifizierung der Médoc-Weine erfolgte 1855, die der Crus Classés de Graves 1953, die der Sauternes-Weine wiederum 1855. 

Und natürlich auf ihrem einzigartigen Terroir. Die Böden hier bestehen hauptsächlich aus Kieseln und Steinen. Das hiesige Meeresklima bringt warme Sommer und milde Winter mit sich. 

Die tonangebende Rebe ist der Cabernet Sauvignon. Die weltweit verbreitete rote Rebsorte zeichnet sich durch ihre typischen, paprikaähnlichen Noten (je nach Reifestadium rot oder grün) aus. Dank seiner Tannine und seiner Intensität lässt sich der Cabernet Sauvignon ideal (bei Médoc- und Graves-Weinen) mit Merlot kombinieren, der ihm Geschmeidigkeit verleiht. Die Assemblage beider Rebsorten (mit einem höheren Anteil an Cabernet Sauvignon) liefert lagerfähige Weine, die ihr volles Potenzial erst im Laufe der Zeit entfalten. 

Im Anbaugebiet Sauternes (Heimat des legendären Château Yquem) sind Sémillon und Sauvignon Blanc die maßgeblichen Rebsorten bei der Herstellung der begehrten weißen Süßweine. Das auf diesem Terroir anzutreffende Mikroklima begünstigt die Entwicklung der Edelfäule Botrytis, die diesen goldenen Tropfen ihren einzigartigen Charakter verleiht. 

Wem gebührt der Vorrang? Rive gauche oder Rive droite? Intensität oder Finesse? Oder eine Mischung: Das zwischen den Flüssen gelegene Weinbaugebiet Entre-Deux-Mers, überaus geschätzt für seine trockenen und zugleich weichen Weißweine. Eines ist sicher. Es ist die Vielfalt all dieser Terroirs, die den Bordeaux-Weinen jene Einzigartigkeit verleiht, die bei Liebhabern aus aller Welt so begehrt ist. Ob Rosé, Weiß oder Rot: An seinem typischen, schlanken Flaschendesign erkennt man einen Bordeaux sofort. Mit ihren rund 60 Appellationen (AOC) und dank eines engagierten Winzerstandes setzt sich die Region zudem gegenwärtig für einen regelrechten ökologischen Umschwung ein. 

Anne Schoendoerffer

> Französische Weine: ein Guide für Einsteiger