Das große Backen - Plätzchen, Lebkuchen, Bûche de Noël 

By Sandy Neumann

„Un, deux, trois…,“ Béatrice` Zeigefinger wandert über die blecherne Keksdose, auf denen die Rentiere durch einen frostigen Winterwald rennen und den Schlitten mit einer Unmenge an Geschenken ziehen. „…huit, neuf…!!!“ Sie schaut mich an. „Ich bin noch nicht mit dem Zählen fertig. Wie machst du das?! Und wie heißen die?“ Sie zeigt in die Dose.„Rumkugeln.“ „Und die?“ Ihre Augen leuchten, die Finger kurz vorm Zugreifen. Ich nicke ihr aufmunternd zu. „Katzenzungen, daneben das sind Vanillekipferl.“ „Vanille-was?“ 

Das große Backen

„K-i-p-f-e-r-l,“ buchstabiere ich, „sehen bisschen aus wie kleine Halbmonde.“ 

„Ob ich die wirklich teilen möchte, das muss ich mir noch überlegen.“ Ihre Wangen röten sich ein klitzekleines bisschen. Am Wetter kann’s nicht liegen. Wir schauen beide durch die Fenster in den stahlblauen Himmel und dann auf den Platz vor der Mairie, dem Rathaus. Die Herren von der Stadtwirtschaft tragen T-Shirts, einer die Kiste mit der Lichterkette und alle ihre entspannte Lässigkeit. Der Weihnachtsbaum will auch bei 20 Grad plus aufgestellt werden. Die Keksdose, gefüllt mit allerhand verschiedenen kleinen Plätzchen, Leb- und Pfefferkuchen ist mein Geschenk an unsere Bürgermeisterin und die Damen der Gemeindeverwaltung. 

© Sandy Neumann

„Eure Backtraditionen in Deutschland…allein deshalb würde ich so gern zur Weihnachtszeit einmal dahin fahren.“ Dahin spricht sie aus als handele es sich um das pure Schlaraffenland. „Wie hieß das Gebäck, das du letztes Jahr verschenkt hast?“ 

„Du meinst den Stollen?“ 

„Ja, genau, der war doch so eine Mischung aus deutschen und provenzalischen Zutaten.“ 

Eine meiner Reisen hatte mich in die Provence geführt, um den 13 Weihnachtsdesserts auf die Spur zu kommen. Calissons, kandierte Früchte, glasierte Maronen und weitere Verlockungen galt es zu entdecken. 

„Ihr habt in Frankreich doch auch sehr liebevolle Traditionen. Ich liebe die Bûche de Noël.“ Das Gebäck, auch Weihnachtsbaumstamm, Weihnachtsscheit, Julscheit oder Bismarckeiche genannt, ist der Renner zu Weihnachten. Die Pâtisserien überbieten sich gegenseitig, wer die aufwendigsten Kreationen in die Auslage bringt. Vor einigen Jahren habe ich mich selbst an Mini-Varianten, sogenannten Bûchettes, also Scheitchen, probiert, da ich mich an die große Variante nicht traute. 

© Sandy Neumann

„Ja, ja, im Elsass gibt es die Bredele, und oben…“, sie zeigt vage in eine Richtung und meint wohl Norden, ungefähr so als ob es da nichts Verheißungsvolles geben könnte, „…oben isst man Cougnou, eine Brioche mit Rosinen und Zucker. 

Sie nimmt sich eine weitere Katzenzunge. 

„Und diese wunderschönen Dinger hier…?“, sie zeigt auf die Pfefferkuchen, die bunt verziert neben den Kipferln, Butterplätzchen, Betmännchen und Rumkugeln liegen. 

„Das ist doch richtig toll für Kinder, da können die doch in der Küche helfen. Das große Backen, das scheint es nur so bei euch zu geben.“ 

© Sandy Neumann

Stimmt. So war es und so ist es für viele bis heute. Ich liebte die Vorweihnachtszeit, in der jedes Wochenende riesige Mengen an Plätzchen gebacken wurden. Stunden brachten wir in der Küche zu, hörten Weihnachts-Pop und widerstanden dem Versuch, den Teig schon vorher aufzuessen, bevor überhaupt Plätzchen draus werden konnten. 

„Schokoli…“ 

„Wie bitte?“ Béatrice hat Fragezeichen im Gesicht, ein weiteres Kipferl in der Hand. 

„Schokoli, meine immerwährende Lieblingssorte Plätzchen…“ 

Staub-pudrig durch das Kartoffelmehl und herrlich herb-süß durch den Kakao, eine winzige Haselnuss in der Mitte, geröstet noch knuspriger und aromatischer, gehören zu meinem Schatz an geliebten kulinarischen Kindheitserinnerungen zur Weihnachtszeit. 

„Und wo sind die?!“ Béatrice sucht die Dose ab und es wirkt, als wolle sie die Rentiere  darauf hypnotisieren, nur ja nicht, die Plätzchen für sich zu behalten. 

„Ahhhh, da sind sie ja!“ Sie nimmt sich ein Schokoli, dreht es zwischen Daumen und Zeigefinger und steckt es in den Mund. „Ohhh…Mmmhhh…. unvergleichlich, diese Plätzchen.“ 

Ich liebe sie dafür, wie sie Plätzchen sagt. 

Contributor

Sandy Neumann
Sandy Neumann

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