2009 eröffnete Surk-ki Schrade ihre Weinhandlung „La Vincaillerie“ in Köln-Ehrenfeld. Sie hat sich auf Naturweine spezialisiert und ist eine oft konsultierte Expertin auf diesem Feld, das traditionell auf reinen Wein setzt. Keine Pestizide im Weinberg, keine Zusatzstoffe im Weinkeller. Wir treffen uns in der gemütlichen Weinhandlung in der Leostraße.
Nikolai Wojtko:
„Was bedeutet eigentlich La Vincaillerie?“
Surk-ki Schrade:
„Das ist eine Verballhornung. Es gibt in Frankreich diese kleinen, wunderbaren Läden, die alles führten, was man im Haushalt an Eisenwaren benötigt. Messer, Töpfe, Messer, Schrauben, Nägel und alles andere, was man täglich gebrauchen kann. Und natürlich gehört in Frankreich eine Flasche Wein zu den Dingen, die man täglich im Haushalt benötigt. Die aber ist nicht aus Wein. Daher braucht man mit Verweis auf die Quincaillerie eine Vincaillerie, die einen in Anlehnung an die alltagsnotwenigen Eisenwaren, mit der ebenfalls alltagsnotwendigen Flüssigkeit versorgt.“
NW:
„Das Wortspiel lässt schon erahnen, dass du eine Mittlerin zwischen den deutsch-französischen Sprachwelten bist.“
SkS:
„Das hat mit meiner Biografie zu tun. In Deutschland bin ich geboren, wurde dann in Lyon eingeschult. Später zogen wir nach Straßburg, wo ich auch studiert habe. Seit 1993 wohne ich in Köln, der französischsten Stadt in Deutschland.“
NW:
„Wolltest du den Wein mit nach Deutschland bringen?“
SkS:
„Nein, das war nicht mein Plan. Aber natürlich ist Wein zu trinken eine gesellige Sache. Jeder hat eine Bierflasche für sich alleine. Aber eine Flasche Wein wird geteilt. Man trinkt sie zusammen und hat gemeinsam Spaß.“
NW:
„Mittlerweile hast du dich auf Naturweine spezialisiert. Wie kam es dazu?“
SkS:
„Die Anfänge dazu liegen in Frankreich. 2008 besuchte ich in Marseille eine Naturweinmesse. Ich probierte, unterhielt mich mit den Winzern und war überrascht. Auf der einen Seite begeisterten mich die Weine, aber auf der anderen Seite kam ich ins Grübeln. Was hier eingeschenkt wurde, kannte ich in dieser Form nicht. Es waren reine Weine. Einfach nur vergorener Traubensaft. Und diese Weine waren so anders als die, die ich bisher getrunken hatte. Das Problem war: Ich dachte immer, wenn ich Wein trinke, würde ich reinen Wein trinken. Nichts anders stand ja auf den Flaschen, keine Zusätze, nichts. Nun aber konnte ich schmecken und musste ich erfahren, dass die gängigen Weine mitnichten naturbelassen waren. In ihnen waren Zusatzstoffe. Allerdings mussten die offensichtlich nicht deklariert werden.“
NW:
„Warum?“
SkS:
„Das habe ich mich damals auch gefragt. Ich fuhr zurück nach Deutschland und machte mich schlau. Ich stellte fest, dass Wein nicht unter das Lebensmittelrecht fällt sonst wären die verwendeten Zusatzstoffe deklarationspflichtig. So sind sie es aber in einer breiten Fülle nicht.“
NW:
„Sind denn Naturweine ein neues Thema?“
SkS:
„Genau genommen nicht. Denn Naturweine sind Weine, wie sie historisch gesehen immer schon gemacht wurden. Also, bevor man angefangen hat mit Zusatzstoffen im Weinberg oder im Weinkeller zu arbeiten. Das Wort Naturwein ist noch relativ neu, aber diese neuen Weine sind traditionell gemacht.“
NW:
„Hast du dann nach Naturweinen in Deutschland gefahndet?“
SkS:
„Ja, natürlich. Als ich verinnerlicht hatte, dass in den angebotenen Weinen sehr oft mehr drin ist als der vergorene Saft der Weintrauben, machte ich mich auf die Suche nach Weinen, bei denen das nicht so ist. Denn ich war auf den Geschmack gekommen. Und überhaupt: Warum können Weine nicht auf natürliche Weise vergoren werden? Warum kann man nicht auf Zuchthefen verzichten? Schwefel und Zusatzstoffe, so hatte ich in Marseille gelernt, verhindern gerade das, was man im authentisch produzierten Wein ja so gerne sucht: den Charakter des Weins, den Geschmack des Terroirs. Also habe ich den Markt analysiert. Und als ich festgestellt habe, dass es solche Weine hier nicht zu erwerben gibt, habe ich mich entschlossen, solche Weine nach Deutschland zu holen und habe kurzerhand meine Weinhandlung aufgemacht. Das war 2009. Damit wollte ich sicherstellen, dass man auch hier jeden Tag seine Flasche Wein auf dem Tisch haben kann, ganz ohne Zusatzstoffe.“
NW:
„Verstehst du dich als Botschafterin für französische Weine?“
SkS:
„Ich verstehe mich als Botschafterin für Naturweine. Da es damals in meinem Fokus nur französische Naturweine gab, sah ich mich folgerichtig als Botschafterin für französische Naturweine. Auch wenn ich mittlerweile Naturweine aus mehreren Ländern anbiete, bilden französische Naturweine immer noch meinen Markenkern. Sie bestimmen nach wie vor mehr als die Hälfte meines Angebotes. Natürlich habe ich zahlreiche Lieblingsregionen, aber immer noch ist Grenache meine Lieblingstraube, obwohl ich mittlerweile auch meine Liebe für andere Rebsorten entdeckt habe.“
NW:
„Die Eröffnung deines Weinladens stellt aber erst den Anfang einer Entwicklung da, oder?“
SkS:
„Ja, ich kannte ja noch gar nicht viele Winzer und – verglichen mit heute – erst wenige Weine. Aber die Eröffnung meiner Weinhandlung gab mir Anlass, den persönlichen Austausch mit Winzern zu suchen. Und ich habe gemerkt, wie wichtig der persönliche Kontakt ist. Noch heute kontaktiere ich alle Winzer persönlich. Denn ich möchte wissen, wie sie über Wein denken. Wie sie arbeiten und welche Definition sie von den Weinen haben, die sie machen. Denn Naturwein ist ja erst einmal eine relativ weite Definition, die jeder Winzer nach seinem Charakter definieren muss. Mit der Zeit stellte ich fest, dass es an der Zeit sei, diesen Winzern und ihren Weinen eine Bühne zu bieten. Und so entstand die Idee, eine Naturweinmesse durchzuführen. 2015 war es dann soweit. Innerhalb von nur zwei Wochen hatte ich dreißig Zusagen aus Frankreich, andere Winzer folgten. Und wir alle merkten anhand des regen Publikumsinteresses, das die Zeit reif war, um diese Weine zu präsentieren und damit das Thema der Naturweine aus einer Nische ins Rampenlicht zu stellen.“
NW:
„Mittlerweile bist du eine gefragte Expertin in Sachen Naturwein Du berätst deine Kunden, hast ein Buch über Naturweine geschrieben. Was sind deine nächsten Projekte?“
SkS:
„Seit dem Lockdown gibt es vor allem zunehmend Restaurants, die sich auf Naturweine beziehen und diese in ihr Take Away Programm aufnehmen. Hier berate ich gerne und ich nutze weiterhin die Zeit, um ganz persönliche Anfragen zu beantworten und Bestellungen entgegen zunehmen. Daneben habe ich jetzt ein wirklich schönes Projekt in Angriff genommen: Im Oktober 2021 soll mein neues Buch über Naturweine im Christian Verlag erscheinen.“
NW:
„Was ist für dich die Definition für Naturwein?“
SkS:
„Vergorener Traubensaft – nix rein nix raus.“
Passend zum Thema hat Surk-ki Schrade für die Leser des Taste France Magazines eine kleine vinophile Tour de France zusammen gestellt:
Cuvée Nadége, Côte du Rhone 2010, Bourboulenc, Rousanne, Weißwein, 0,75l, 14% vol., 18,00€
Unsere vinophile Reise beginnt an der Rhone. Und sie überrascht uns gerade mit einer typischen Weißwein-Rebsorten Mischung dieser Gegend. Denn im Glas haben wir einen alten Wein, der aber vor ungebremster Kraft strotzt. Hier vermählt sich das Raue der Camargue mit sanften Tönen der Rhone, die eine leichte Sherry Note durchschimmern lassen. Der 73 Jahre alte Winzer hat Zeit seines Lebens Naturweine hergestellt. Trinkt man diesen Wein, weiß man, warum.
Fable, Ardéche 2019, Syrah, Grenache, Rotwein, 0,75l, 14% vol., 14,00€
Von der Rhone unternehmen wir einen kleinen Abstecher an die Ardéche. Dieser Wein begleitet mich seit Eröffnung meiner Weinhandlung. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich die einzelnen Jahrgänge sind. Die Weine werden jedes Jahr in einer anderen Rebsorten Mischung ausgebaut, sind aber immer voller Charakter. Dieser Wein ist nichts für weiche Gemüter. Er fordert. Der auf dem Etikett abgebildete Ziegenbock ist hier Programm. Am Gaumen zeigt er sich Dunkelbeerig, schön auf der Frucht ausgebaut. Zugleich hat man die Besonderheiten der Ardéche auf der Zunge: Erde, Hitze und Pinien.
T`as pas encore rencontré le bon– Sauvignon Blanc, Loire 2019, 14% vol., 075l, 32,00€
Unsere Reise führt uns an die Loire. Dieser Wein ist ein Genuss. Aber wer sagt, dass Wein nicht auch politisch sein kann? Dieser Wein ist ein politisches Statement gegen Sexismus. Dabei ein typischer Sauvignon Blanc. Mineralisch, buttrig, voll. Er erzählt viel, so als wäre er selbst der Beginn eines Liebesspiels. Dabei kristallin klar, ganz ohne Filtration.
Fisterra – Gewürztraminer, Pinot Gris, Riesling, Muscat, Auxerrois, Orangewein, Elsass 2018, 13,5% vol., 0,75l, 22,00€
Wir unternehmen einen Abstecher ins Elsass. Hier treffen wir auf einen maischevergorenen Wein. Hier sind alle Rebsorten versammelt, die man im Elsass hauptsächlich finden kann. Der Gewürztraminer in dieser Cuvée betont in besonderer Weise die Weinnoten des Elsass. Rosenduft steigt in die Nase. Dann erkennen wir eine schöne Vertikale von erdigen und fruchtigen Noten. Passionsfrucht am Gaumen. Und am Duft bemerken wir, dass der Winzer lieber im Weinberg ist, denn im Wein sind dessen Aromen versammelt.
Le temps des cerises, à oili oili oila, Cinsault, Rotwein, 0,75l, 10,8% vol., 15,00€
Die Weine von Axel Prüfer sind wie er selbst. Ohne Ecken und Kanten, aber durch und durch untypisch. Bei diesem Rotwein aus dem Languedoc könnte bei einer Blindverkostung fast als Rosé durchgehen. Wenig Tannine, voller Geschmack.
Das Buch von Surk-ki Schrade, sowie alle ihre Weine gibt es direkt oder Online in der La Vincaillerie:
https://www.la-vincaillerie.de
Weitere Informationen zum Thema:
https://vinmethodenature.org
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