Der betörende Duft frischen Baguettes - Jaques Merlet, kulinarischer Genussbotschafter

Par Nikolai Wojtko

Baguette: Natürlich. Knusprig. Aromatisch. Das ist der kulinarische Dreiklang, mit dem dieses Brot seinen festen Platz als Grundnahrungsmittel in Frankreich erobert hat. Und Hand aufs Herz: Wer kann schon widerstehen, wenn er den Duft eines ofenwarmen Baguettes an die Nase bekommt? Eben! Frankreich ist reich an kulinarischen Spezialitäten aus den verschiedensten Regionen des Landes, aber alle Regionen sind vereint in ihrer Liebe zum Baguette. Ein Mensch, der dieses Brot ausgezeichnet herzustellen versteht, wohnt seit mittlerweile 35 Jahren in Köln: Jaques Merlet: Sein Baguette Tradition wird natürlich, ohne weitere Zusatzstoffe gebacken. Wir treffen uns zum Gespräch in seiner verführerisch duftenden Backstube.

 

Boulangerie Merlê in Köln

© Nikolai Wojtko

Nikolai Wojtko: Wann haben Sie den Entschluss gefasst, Bäcker werden zu wollen?

Jaques Merlet: In meinem Fall war es einem wunderbaren Umstand geschuldet. Denn genau genommen, wollte ich nach der Schule eine Lehre als Konditor machen, denn natürlich war ich als junger Mensch von der Kunst unserer heimischen Konditoren beeindruckt. Es sah oft verführerisch aus und natürlich schmeckten die Produkte sehr gut. Aber ich bekam damals keinen Ausbildungsplatz. Allerdings konnte ich eine Lehrstelle als Bäcker bekommen, da habe ich zugegriffen. Als ich dann einige Monate später mich noch einmal als Konditor versucht habe, merkte ich, dass ich schon die richtige Wahl für mich und mein berufliches Leben getroffen hatte. Es hört sich vielleicht etwas komisch an, da ja beide Berufe in einer Backstube stattfinden, aber doch gibt es da erhebliche Unterschiede. An dieser Stelle möchte ich lediglich den für mich entscheidenden hervorheben: Konditoreiwaren – auch die genialsten, sind letztendlich Backwaren. Das hört sich vielleicht komisch an, denn Brot wird ja auch gebacken. Aber Brot macht man nicht einfach, man kann es nicht herstellen wie sonstige Dinge oder Waren. Brot verlangt Hingabe, Überlegung. Die Teige werden zum Leben erweckt, es ist eher ein schöpferischer Prozess. Und man lebt mit den organischen Veränderungen der Teige, denen man den nötigen Raum zumessen muss.

NW: Das heißt, sie arbeiten mit lebendigen Sauerteigkulturen?

JM: Ja. Wir arbeiten hier mit drei Arten Sauerteig. Ich arbeite mit Roggensauerteig, mit Weizen- sowie mit einem Dinkelsauerteig. Diese lebendigen Kulturen sind für mich nicht nur die Basis der Brote, sie sorgen auch für ihre aromatische Vielschichtigkeit.

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NW: Was bedeutet Brot für Sie?

JM: Genau genommen ist es seine alltägliche Schlichtheit. Brot gehört für mich zum täglichen Leben. Es ist fester Bestandteil auf dem Familientisch. Schon in meiner Kindheit und Jugend war es immer dabei. Brot, Butter, Wein und Wasser gab es bei uns zu Hause immer auf den Tisch. Es ist ein schönes Ensemble, wenn das schon mal auf dem Tisch steht, hat man eine Grundlage und kann sich freuen, denn die Grundbedürfnisse werden hier gestillt, alles andere kommt dann als Genuss dazu.

NW: Welcher Weg hat sie nach Deutschland geführt?

JM: Nach meiner Lehrzeit in Südfrankreich, bin ich zunächst auf Wanderschaft gegangen. Das ist in Frankreich noch weiter verbreitet als in Deutschland. Nach den Lehr- folgen die Wanderjahre, damit man auf der Grundlage des erlernten Handwerks noch andere Eindrücke, Arbeitsweisen und Erfahrungen in anderen Werkstätten und Regionen sammeln kann. Nachdem ich sieben Jahre Wanderschaft mit unterschiedlichen Stationen in Frankreich absolviert hatte, gab es über die Handwerkskammer die Möglichkeit zu einem Austausch nach Deutschland. Da ich zwei Jahre Deutsch in der Schule gelernt habe, habe ich die Hand gehoben und bin 1986 hier in Köln in einer traditionellen Bäckerei gelandet.

© Nikolai Wojtko

Die andere Brot-Kultur

NW: Das war sicherlich eine völlig andere Back-Welt, oder?

JM: Und wie. Meinen ersten Arbeitstag vergesse ich nie. Ich sollte ein Schwarzbrot aus der Maschine herausholen. Und das war natürlich für mich etwas ganz Neues. Dieses Brot hatte gar nichts von dem gemein, was ich bisher in Frankreich unter Teig kennen- und schätzen gelernt hatte. Ich merkte: Ich bin hier in einer Backstube, aber in einer völlig anderen Brot-Kultur. Nun, mittlerweile habe ich das hiesige Schwarzbrot schätzen gelernt. Wenn es gut gemacht ist, esse ich gerne ab und zu ein Stück. Aber das musste ich erst mit der Zeit kennen lernen. Natürlich wusste mein Meister, dass das sicherlich für mich eine Herausforderung sein würde, und er hat mir in meinem Jahr alles gezeigt, was er mir zeigen konnte. Es war eine großartige Erfahrung und ein wunderschönes Jahr für mich.

NW: Wie ging es nach diesem ersten Jahr in Köln weiter?

JM: Ich bin dann nach Frankreich zurückgekehrt, um meine Meisterprüfung abzulegen. Aber Köln hat mich nicht mehr losgelassen. Es war für mich klar, dass ich als frisch gebackener Meister zurück kommen werde. Das war 1989. Zunächst habe ich außerhalb von Köln gearbeitet und dann kam die Zeit, in der viele Bäckereien auf Backfertigmischungen umstiegen. Backen verlor dadurch für mich seinen Zauber. Die Teige verloren ihren lebendigen Charakter und ich mit der Zeit die Lust an meinem Beruf.

NW: Zeit für eine Veränderung?

JM: Ja. Ehrlich gesagt, gärte schon lange der Gedanke in mir, mich eines Tages selbstständig zu machen. Um hier in Köln französisches Brot anbieten zu können. Klassisch, traditionell. Und vielleicht bin ich ein wenig wie meine Teige: Ich benötigte eine lange Fermentationszeit, bis ich den Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit gewagt habe. Es war eine Herausforderung. Denn ich wusste nicht, wie sich nun meine Zukunft gestaltet. Die ersten Wochen mit eigener Bäckerei waren kein Zuckerschlecken. Wir waren nicht bekannt und die Kunden betraten nur zögerlich den Laden. Dann aber, nach einigen Wochen gab es lange Schlangen vor der Bäckerei, da es sich rumgesprochen hatte, dass es hier gutes Brot zu erhalten gibt. Das war ein unglaublich schönes Gefühl. Denn ich merkte, dass ich hier meine Leidenschaft teilen kann.

© Nikolai Wojtko

NW: Was zeichnet ein gutes Brot aus?

JM: Es ist in erster Linie der Geruch. Der Geruch einer Backstube hat mich schon immer fasziniert. Wenn ich unterwegs bin, dann gehe ich gerne in andere Bäckereien, wenn mich der Duft fasziniert. Denn es muss gut riechen. Das ist wie bei einer Pizzeria. Wenn es da nicht gut aus dem Pizzaofen duftet, dann braucht man gar nicht erst rein zugehen. Denn der Duft ist der Hinweis auf den Geschmack.

NW: Mittlerweile haben sie zahlreiche renommierte Auszeichnungen erhalten. Was zeichnet ihre Brote aus?

JM: Ich freue mich sehr über die Auszeichnungen, denn sie sind ein Teil der Wertschätzung, die ich hier erfahren darf. Nun, die Art, wie ich hier backe ist für mich gar nicht so etwas Besonderes. Und ich glaube, das schlichte Geheimnis liegt in der Konzentration auf das Wesentliche. Brot braucht keine Zusatzprodukte, hier sehe ich mich als Botschafter für traditionell hergestelltes französisches Brot. Bort braucht lediglich Zeit, denn die Zeit füllt die Teige mit Aroma. Daher setzen wir hier traditionell auf lange Teigführung, je nach Teig zwischen 12 bis 48 Stunden. Zeit, die man schmeckt. Und der Geschmack von gutem Brot hat etwas sehr Verbindendes: Wenn Kunden zu mir kommen und sich für die wunderbaren Produkte bedanken, dann ist das eine unglaubliche Motivation für mich. Denn ihr Lächeln kommt von Innen und offenbart pures Glück.

Contributeur

Nikolai Wojtko
Nikolai Wojtko

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